MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Als Juden ermordet, aber nicht als Juden begraben

in Israel Zwischenzeilen/Leben, Kultur & Sport

Die Geschichte der israelischen Familie Kapshitter ist leider typisch für ein grosses Problem in Israel: Die vier Familienmitglieder – der Vater Evgeny (Zhenya), 37, die Mutter Dina, 34, und ihre beiden kleinen Kinder, die 8-jährige Aline und der 5-jährige Eitan – waren am 7. Oktober auf dem Rückweg von einem Campingausflug in der Nähe von Aschkelon zu ihrem Haus in Be’er Schewa, als sie in einen Hinterhalt von Hamas-Terroristen gerieten, die ihr Auto mit Kugeln beschossen und alle töteten.

Verwandten und Freunden der Familie Kapshitter wurde nach ihrem Tod mitgeteilt, dass die vier Opfer nicht nebeneinander auf dem Friedhof in Dimona begraben werden können, da der Vater von der Chevra Kadischa-Bestattungsgesellschaft nicht als jüdisch angesehen wurde. Sein Vater sei zwar jüdisch gewesen, die Mutter jedoch nicht. Ein Schicksal, das gerade viele Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion betrifft. In der Sowjetunion galt man als Jude, wenn man einen jüdischen Vater oder sogar Grossvater hatte. In Israel ermöglicht das „Gesetz der Rückkehr“ Menschen mit einem oder mehreren jüdischen Grosseltern, die israelische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Dies führte zu Situationen wie der von Zhenya Kapshitter, der nach dem Rückkehrgesetz zwar Israeli werden durfte, aber nach der orthodoxen Halacha nicht als Jude anerkannt ist.

Die Familie Kapshitter: Ausgelöscht von Terroristen am 7. Oktober (Bild: Privat).

„Wir haben versucht, den für den Friedhof zuständigen Rabbinern zu erklären, dass Zhenya in der Armee gedient hat, dass er alles für den Staat Israel gegeben hat und dass sein Vater Jude war – aber ohne Erfolg“, erzählt Jana Pasternak, eine Freundin der Familie. „Sie haben uns nicht einmal zugehört. Für sie war er kein Jude, basta. Es ist traurig, das zu sagen, aber ich war nicht überrascht. Der Staat ist völlig blind für diese Probleme“.

Schätzungen zufolge leben in Israel mehrere hunderthausend Menschen, die halachaisch nicht jüdisch sind und daher in sämtlichen Angelegenheiten des Rabbanuts (von Eheschliessung bis Begräbnis) zwischen die Stühle fallen. Am 7. Oktober betraf dies nicht nur die Familie Kapshitter, auch andere Opfer waren zwar jüdisch genug, um von Terroristen ermordet, aber nicht, um auf einem jüdischen Friedhof begraben zu werden. In diesen Fällen werden die Toten auf einem angrenzenden Bereich des Friedhofs begraben, der vom jüdischen durch einen Zaun getrennt ist.
Im Falle der ausgelöschten Familie entschieden die Verwandten schliesslich, dass alle vier ausserhalb des Friedhofs begraben werden. Eine Demütigung, die nicht nötig wäre, wenn der israelische Staat sich endlich einmal dem Problem annehmen würde.

Mitglieder der NRO „One Million Lobby“, die Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion in Israel vertritt, versuchten nach dem 7. Oktober, das Thema in der Knesset zur Sprache zu bringen. Wie die Geschäftsführerin Alex Rif gegenüber der Newsseite „Shomrim“ erklärte, waren sie jedoch nicht erfolgreich. Die Regierung sei nicht bereit, das Thema auch nur zu diskutieren.

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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