Drei Schweizer in Israel – drei Geschichten

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In unserer neuen Serie „More Swissness in Israel“ werden wir einmal im Monat über aktuelle Themen schreiben, welche die Präsenz und die Aktivitäten der Schweiz in Israel in ihrer breitesten Vielfalt aufzeigen. Ein bisschen Schweizer Lebensgefühl in Israel, sozusagen.

Etwa 22.000 Schweizer Staatsbürger leben in Israel. Wir haben drei von ihnen getroffen, um über ihr Leben, das Heimweh und neue Wege in einem anderen Land zu sprechen…

Monique Heymann
Engagiert für die Schweizer in Israel
„Es ist ein teures Hobby, aber mir macht es viel Spass“, mit diesen Worten beschreibt die 37-Jährige Schweizerin Monique Heymann lächelnd ihr Engagement als Auslandsschweizer Delegierte im Auslandschweizerrat. Für den Rat versucht sie aktiv die Interessen von Schweizern, die im Ausland leben zu vertreten. Zwei Mal im Jahr reist sie dafür fast komplett auf eigene Kosten in die Schweiz, um an den Sitzungen teilzunehmen. Die wichtigsten Themen ihrer Meinung nach: „Wir müssen endlich das Evoting voran bringen, es kann nicht sein, dass viele im Ausland lebende Schweizer nicht wählen können, weil die Unterlagen zu spät ankommen.“ Ausserdem hofft die junge Frau, die vor achteinhalb Jahren Aliya gemacht hat, dass Gespräche mit Schweizer Banken bald positiv verlaufen, denn aktuell können nicht in der Schweiz lebende Bürger Bankkonten in ihrem Heimatland nur mit hohen Gebühren eröffnen.

Heymanns Engagement zeigt sich auch in anderen Bereichen; so organisiert sie regelmässig neben ihrer Arbeit bei einem High-Tech-Unternehmen Stammtische für Schweizer in Israel und betreut die Facebook-Gruppe „Swiss in Israel“, in der es immerhin 800 Mitglieder gibt. So viele kommen zum Stammtisch lange nicht, aber für Heymann ist dieser Abend trotzdem immer ein Erfolg: „Das ist immer ein bisschen Heimat, mit den anderen Schweizerdeutsch oder Französisch zu sprechen. Wir regen uns über die gleichen Sachen auf und bringen uns Dinge mit, wenn einer in die Schweiz fährt.“ Besonders begehrt ist der Greyerzer, den Heymann in Israel schmerzlich vermisst. Noch mehr vermisst sie allerdings ihre Familie, ihre Schwester und ihre Eltern sind in der Schweiz.

Glücklich in Tel Aviv: Monique Heymann (Bild: privat).

Heymann, die in Tel Aviv lebt, ist jedoch meistens sehr glücklich mit ihrem Leben in ihrer neuen Heimat: „Ich fühle mich hier total wohl, habe viele tolle Freunde gefunden, ich liebe das Essen und das Wetter.“ Nur die steigenden Preise machen ihr viel Sorge: „Es ist mittlerweile einfach sauteuer in Tel Aviv geworden, als Single geht das ja alles noch, aber wie Familien das machen, ist mir unbegreiflich.“

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Moshe Gabay
„Man lebt hier, als ob es kein Morgen gäbe“

Mit 19 Jahren ging Moshe Gabay aus der Schweiz weg und zog allein nach Israel. Er wollte das Leben, das er seit seiner Kindheit aus Urlauben kannte, endlich leben. Gabay, dessen Vater Israeli und dessen Mutter nicht-jüdische Schweizerin ist, galt in der Schweiz schon wegen seines Namens immer als Israeli bzw. Jude, in Israel hingegen gehörte er immer irgendwie dazu. Im jüdischen Staat angekommen, war das Leben aber doch anders, als er es sich vorgestellt hatte – Gabay entschied sich nämlich, zur Armee zu gehen: „Meine Cousins waren auch beim Militär und ich wollte wohl etwas beweisen, das war mitten in der zweiten Intifada und die Armee war der pure Horror für mich. Ich habe jeden Tag gelitten.“ Zum Glück ist das mittlerweile fast 21 Jahre her. Heute lebt Gabay mit seinen drei kleinen Kindern und seiner ursprünglich aus Holland stammenden Frau in einem Kibbuz in den Golanhöhen. Die fünfköpfige Familie ist erst kürzlich aus Jerusalem dorthin gezogen und hat sich mit dem Umzug einen langgehegten Traum erfüllt.

Die Schweiz hat sich der 40-Jährige aber im Herzen bewahrt, und in seiner Arbeit im Tourismussektor. „Das Schweizerische an mir ist mein grosser Vorteil gegenüber anderen Tourismusanbietern. Ich denke langfristig und investiere alles in den Kunden, sie wissen, dass sie mir vertrauen können, ich stehe für absolute Ehrlichkeit.“ Eigenschaften, die in Israels Tourismussektor nicht immer gross geschrieben wird. Als Gabay auf Anraten seiner Mutter, die selbst als Tourguide arbeitete, begann, in dem Bereich zu arbeiten, war er oft von den Methoden geschockt. „Ich war am Anfang oft viel zu nett und musste erst einmal lernen, wie ich mich durchsetzte. Ich habe bis heute in Israel oft das Gefühl, der Job ist ein einziger Kampf. Es ist selten, dass man sich auf andere verlassen kann. Jedes ‚Nein‘ kannst du hier immer in ein ‚Ja‘ umwandeln, was manchmal natürlich auch etwas Positives hat.“

Auch deshalb sind dem Schweizer die Familienbande umso wichtiger. Seine Eltern sind vor einigen Jahren ebenfalls ins Land gekommen, und sein Bruder zieht in den nächsten Wochen mit seiner Familie in den gleichen Kibbuz wie Gabay. Mit ihm arbeitet er auch eng zusammen, mit ihrem Unternehmen Keshet organisieren sie Reisen und Events in Israel, die vor allem auf ein christliches Publikum zugeschnitten sind. Die beiden sprechen untereinander übrigens immer noch Schweizerdeutsch, „es ist einfach die Sprache, in der ich mich am meisten zu Hause fühle.“

Moshe Gabay und seine Familie (Bild: privat).

Das Reisen ist aber nicht nur Gabays Beruf, sondern auch sein grosses Hobby. Gemeinsam mit seiner Frau und den Kindern reist der gebürtige Schaffhauser mehrmals im Jahr, auch vor Fernreisen in die USA oder nach Asien schreckt die abenteuerlustige Familie nicht zurück. Erst kürzlich nahm er seinen ältesten Sohn, der fast neun ist, auf eine Geschäftsreise in die Schweiz mit. „Wir waren zwei Tage Snowboardfahren, das war für mich ein absoluter Traum, ihm das zu zeigen, denn das habe ich ja auch als Kind gelernt.“ Die kurze Reise kam gut an: „Mein Sohn war total begeistert von der Schweiz, Raclette ist jetzt sein Lieblingsgericht“, erzählt Gabay lachend.

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Michelle Holtz
„Ich habe nicht einen Tag etwas gemacht, was mir kein Spass macht“

Jaffa aufzugeben, war nicht leicht für Michelle Holtz. Gemeinsam mit ihrem Partner, dem Produktdesigner Dov Rattan lebte die gebürtige Schweizerin zehn Jahre in dem pittoresken Stadtteil und hatte zeitweise dort sogar einen eigenen Laden für israelische Designgegenstände in der Nähe des Flohmarkts. „Aber irgendwann haben uns die Kosten einfach übermannt.“ Mit viel Glück hat das Paar mittlerweile ein Haus in Yehud, etwa 30 Minuten südlich von Tel Aviv, gefunden.

Für Holtz, die mit 18 nach Israel gekommen ist, damals eigentlich nur für einen Sprachkurs im Kibbutz und ein soziales Jahr in Jerusalem, ist das Leben in Israel trotz der finanziellen Nöte, die sie hier über die Jahre immer wieder ausstehen musste, die richtige Wahl: „Ich komme ja aus einem zionistischen Haus und Israel war immer etwas Positives, aber als ich damals nach Jerusalem gekommen bin, hat das für mich eine komplett neue Welt eröffnet. Die Vielfalt der Menschen, die Offenheit. Ich bin ja in Luzern aufgewachsen und als ich dort 1978 wegging, war das noch richtig kleinstädtisch da.“ In Luzern lebte die Architektin und Innendesignerin zwischendurch auch noch einmal mit ihren drei Kindern für etwas mehr als sieben Jahre.

Ein wichtiger Grund für sie, 1990 nach Israel zurückzukommen, war aber, dass es damals in der Schweiz keine ordentliche Kinderbetreuung für kleine Kinder gab und sie deshalb de facto nicht voll arbeiten konnte. Wieder in Israel angekommen, entdeckte Holtz dann ihre Leidenschaft für die Farbberatung. Aber nicht in der Modewelt, wie sie es bis dahin kannte, sondern für Gebäudesanierungen: „Ich habe mir damals eigentlich einen Job gebastelt, den es noch gar nicht gab. Mit dieser Chuzpe, die man nur in Israel lernt, bin ich zur Stadtverwaltung Tel Aviv gegangen und habe denen gesagt: Ich bin Farbberaterin für Häuser.“ Mittlerweile hat Holtz mehr als 2.000 Gebäude in Tel Aviv, Netanya, Kfar Saba und anderen Städten in Israel, als Farbberaterin in neuem Glanz erstrahlen lassen. Eine Karriere, von der sie glaubt, dass sie sie in ihrem Geburtsland nicht hinbekommen hätte: „Ich habe mich in Israel als dreifache Mutter selbstständig gemacht und mir einen Beruf erschlossen, den ich bis heute liebe. Das hätte ich so in der Schweiz nicht geschafft: Aber hier habe ich nicht einen Tag etwas gemacht, was mir kein Spass macht.“

Die Schweiz vermisst die 63-Jährige trotzdem sehr: „Die Berge, die Seen, ein Spaziergang am Bach – das alles gibt mir viel Ruhe und fehlt mir in Israel sehr. Wir haben ja hier in Israel auch tolle Landschaften, im Norden, in den Golanhöhen, aber leider kommt man da vor lauter Staus und fehlendem Nahverkehr so schlecht hin. Was das und das Verhältnis von Gehalt und Lebenskosten angeht, ist die Schweiz Israel wirklich meilenweit voraus.“

Michelle Holtz kam mit 18 Jahren nach Israel (Bild: privat).

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).