MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Schweizer Botschafter Jean-Daniel Ruch im Interview: „Wir müssen das grosse Potential der Schweiz besser vermitteln“

in Die Schweiz in Israel/Israel Zwischenzeilen

Der Schweizer Botschafter in Israel Jean-Daniel Ruch ist seit 2016 im Land. Nach Angaben seiner Mitarbeiter war er es, der erstmalig eine echte strategische Landeskommunikation einführte. Diese habe die Art, wie die Schweiz sich in Israel darstellt, sehr verändert. Die Botschaft bemüht sich nun, ein neues Bild der Schweiz zu zeigen und sich gleichzeitig auch mit kritischen Themen auseinanderzusetzen, wie die Ausstellung zu Holocaust-Überlebenden aus der Schweiz zeigte.

Wir haben den Botschafter anlässlich anlässlich des Jubiläums „70 Jahre diplomatischer Beziehungen der Schweiz mit Israel“ zu einem Gespräch …“in seinem Büro getroffen…

Israel Zwischenzeilen (ZZ): Israel und die Schweiz haben vor 70 Jahren offizielle Beziehungen aufgenommen, Sie selbst sind seit August 2016 in Israel – wie sehen Sie den Status der israelisch-schweizerischen Beziehungen im Moment?

Botschafter Jean-Daniel Ruch (Ruch): Die Beziehungen stehen auf sehr gesunden Füssen würde ich sagen. Erstens einmal sind die politischen Beziehungen ausgezeichnet, ohne jede Schatten. Es gab im letzten Jahr eine Intensivierung des Kontaktes auf politischer Ebene. Dieser beruht natürlich auch, und das ist der zweite Grund für den sehr guten Status in unseren Beziehungen, auf den vielen neuen Kooperationsprojekten. Vor allem im Bereich Wirtschaft und Innovation haben wir mit der Stelle des Innovationsberaters, die wir extra neu in der Botschaft geschaffen haben, viele Delegationen empfangen, Workshops durchführen und neue Kooperationen anstossen können.

Botschafter Ruch bei einer Veranstaltung über Foodtech (Bild: Schweizer Botschaft in Israel).

ZZ: Worauf liegt der Schwerpunkt bei diesen Kooperationsprojekten im Bereich Innovation?

Ruch: Vor allem auf Cyberfragen. Aber auch verschiedene schweizerische Unternehmen aus dem Bereich der Infrastruktur, wie die Schweizerischen Bundesbahnen und die Post, sind nach Israel gekommen, um sich hier über neue Start-ups und Entwicklungen zu informieren und neue Partnerschaften zu bilden. Diese Partnerschaften sind übrigens beidseitig und dies ist der dritte Grund, warum ich die schweizerisch-israelischen Beziehungen für so gut halte: Israelis haben immer mehr Interesse an der Schweiz. Wir zeigen z.B. mit unserem ausgezeichneten Kulturprogramm, der Reihe „Swiss Talks“, dass die Schweiz am Puls der Zeit ist. Dass wir für ausgezeichnete Innovationen, Kultur, Architektur und so weiter stehen und nicht nur für schöne Landschaften.

Fantastische Projekte, weil sie die Welt ein Stückchen besser machen

ZZ: Welches Kooperationsprojekt liegt Ihnen persönlich besonders am Herzen und warum?

Ruch: Das sind eigentlich zwei. Als erstes einmal das „Eulen-Projekt“. Dabei handelt es sich um eine Kooperation zwischen den Universitäten in Tel Aviv und in Lausanne sowie NGOs in Cis-Jordanien und in Jordanien. Forscher haben nämlich festgestellt, dass sich Eulen hervorragend als Schädlingsbekämpfer eignen. Vor allem gegen Nagetiere, die den Bauern im Jordantal sehr zu schaffen machen. Eulen können pro Nacht Dutzende solcher Tiere jagen und sind damit effektiver, vor allem aber nachhaltiger, als jedes Pestizid. Innerhalb des Projekts wurden 2000 Eulennester installiert, 500 davon in Jordanien. Die bestehende Eulenpopulation konnte so wesentlich gestärkt und die Nutzung von Pestiziden um 90 Prozent verringert werden. Das ist ein riesiger Erfolg, die vier Vertreter des Projekts wurden sogar schon zum Papst eingeladen. Diesen Erfolg wollen wir jetzt in die Welt tragen und hoffentlich auch andere Länder an Bord holen.

ZZ: Und das zweite Projekt?

Ruch: Dabei geht es um die Rettung der Korallenriffe. Wissenschaftler haben nämlich festgestellt, dass die Korallen im Golf von Aqaba sehr viel widerstandsfähiger als woanders auf der Welt sind und z.B. Temperaturerhöhungen sehr viel besser überleben können als Korallenriffe in Australien. Dafür verantwortlich ist wohl eine genetische Modifikation und gemeinsam mit dem Politech Lausanne, das über extrem präzise Instrumente verfügt, untersuchen israelische Wissenschaftler nun diese Korallen bis in die letzte Zelle. Ich finde diese beiden Projekte ganz fantastisch, weil sie auch Kooperationsprojekte zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten und weil sie wichtig für unsere Zukunft sind, die Welt ein Stückchen besser zu machen.

Botschafter Ruch in Eilat bei der Besichtigung von Korallenriffen (Bild: Schweizer Botschaft).

ZZ: Welche Herausforderungen sehen Sie in der Zukunft in den Beziehungen? Wo gibt es vielleicht noch Verbesserungsbedarf in der Zusammenarbeit?

Ruch: Wir müssen den Israelis noch mehr zeigen, warum die Schweiz für sie ein großes Potential birgt. Ich möchte den israelischen Start-up-Gründern klar machen, dass sie in der Schweiz genauso gut ihr Start-up gewinnbringend verkaufen können, wie in Kalifornien. Und dass die Schweiz ein hervorragender Standort für Marketingaktivitäten in ganz Europa ist. Viele israelische Unternehmer schrecken die hohen Kosten in der Schweiz ab, aber ich halte das für eine psychologische Hürde. Denn was wichtiger ist, als Miet- und Lohnkosten ist der Zugang, den man in der Schweiz erreichen kann, die politische Stabilität, die wir bieten und die Qualität unseres Standorts. Wir sind neben Island das einzige Land in ganz Europa das ein Freihandelsabkommen mit China hat, wir exportieren mehr nach China als umgekehrt.

Und natürlich haben wir auch ein europäisches Freihandelsabkommen – die Schweiz ist die am weitesten geöffnete Wirtschaft in Europa. Aber wir machen auch noch nicht genug, um das zu kommunizieren und entscheidende Kontakte zu knüpfen. Deutschland lädt israelische Gründer zu Inkubatoren nach Berlin ein, diese Mittel haben wir einfach nicht.

Ein Swiss Innovation Rooftop als Idee

ZZ: Was kann die Schweizer Botschaft also tun?

Ruch: Ich würde gerne das Dach unserer Botschaft in ein „Swiss Innovation Rooftop“ ausbauen lassen. Das Projekt steht aber noch ganz in den Startlöchern.

ZZ: Worin sind sich Schweizer und Israelis ähnlich? Worin unterscheiden sie sich fundamental?

Ruch: Wir sind zwei kleine Staaten, die sich ihre Unabhängigkeit und in Israels Fall natürlich auch Sicherheit immer schwer erkämpfen müssen. Unser Wohlstand hängt auch davon ab, wie wettbewerbsfähig wir sind, wie gut wir uns adaptieren können. Kulturell gibt es natürlich große Unterschiede: In der Schweiz ist alles sehr viel organisierter. Und wir haben in beiden Ländern zwar sehr innovative Unternehmen, aber in der Schweiz sind diese vorsichtig und in Israel sind sie sehr risikofreudig.

ZZ: Ist das etwas, was Besucher aus der Schweiz erstaunt?

Ruch: Absolut. Vor einer Weile hatten wir den Vorsitzenden einer Grossbank zu Gast. Ich habe ein Essen mit mehreren israelischen Top-VCs organisiert und da sprachen also die Israelis nun die ganze Zeit davon, dass sie jemanden, der nicht schon drei, vier Mal gescheitert ist, gar keine Chance geben würden. Da war der Schweizer Unternehmer natürlich völlig überrascht, da bei uns Scheitern immer noch als etwas sehr Negatives gesehen wird. Israelis sind auch viel direkter in ihrer Kritik, können sich von Kritik aber auch schneller befreien und einen neuen Weg versuchen. Im Grunde genommen, können Schweizer und Israelis sehr viel voneinander lernen.

ZZ: Sie sind seit fast drei Jahren im Land – wie gefällt es Ihnen? Was gefällt Ihnen an Israel?

Ruch: Ich lebe und arbeite sehr gerne hier. Israel ist ein Land, in dem es viel zu tun gibt, viel Potential. Es ist immer spannend. Aber natürlich habe ich manchmal Schwierigkeiten die Ungerechtigkeiten, die ich hier spüre, das politische Klima, das ich zum Teil als extrem empfinde, zu akzeptieren. Manchmal fällt es mir schwer, mich davon nicht beeinflussen zu lassen.

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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