MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Portraits Schweizer in Israel (2/3): Lissa Manetsch-Dorohina

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Lissa Manetsch-Dorohina, 36 Jahre, Ballerina beim israelischen Staatsballett, seit 2004 in Israel, lebt mit Mann und einem kleinen Sohn in Tel Aviv.

ZZ: Lissa, wie bist du nach Israel gekommen?

Lissa: Ich habe am Béjart Ballett Lausanne studiert und beschloss in der Sommerpause nach Israel zu kommen und hier beim Ballett zu trainieren. Die Gründerin des Israel Ballett, Berta Yampolsky, sah mich tanzen und bot mir eine Stelle an – da beschloss ich zu bleiben. Meine Mutter ist Israelin, mein Vater Schweizer. Ich bin mit Hebräisch aufgewachsen und habe auch Familie im Land, trotzdem waren alle überrascht über meine Entscheidung.

ZZ: Warum?

Lissa: „Du Bünzli willst nach Israel?“, sagten sie zu mir. Ich bin so eine Vollschweizerin gewesen. Sehr korrekt, gar nicht spontan. Ich bin ein Kontrollfreak und mag es gern geordnet. Da passte Israel auf den ersten Blick erst einmal nicht dazu.

ZZ: Und? War es schwer?

Lissa: Das schwerste war eigentlich, plötzlich mit 22 ohne meine engste Familie hier zu leben. Ich war da natürlich am Anfang sehr naiv. Die Leute in Israel sind oft in bürokratischen Sachen unkomplizierter als in der Schweiz, aber auf der anderen Seite herrscht oft Chaos. Es gibt keine klaren Regeln und jeder macht ein bisschen, was er will.

ZZ: Wie gehst du damit um?

Lissa: Ich bin immer extra freundlich zu allen und das überrascht Israelis dann total. Die sind es ja eher gewöhnt, dass man sie anschreit, wenn man etwas will. Ich hingegen schreibe schon mal Dankesnachrichten an meine Krankenkasse. Aber manchmal nervt die Bürokratie hier doch. Mein Mann ist ebenfalls Tänzer, Russe und nicht-jüdisch, er steht bis heute nicht mit seinem vollen Namen als Vater in der Geburtsurkunde unseres Sohnes, weil er in Israel nur ein temporäres Visum hat. Das ist schon unglaublich.

ZZ: Was gefällt dir an Israel? Was fehlt dir?

Lissa: Wenn ich in der Schweiz bin, liebe ich es. Die Leute haben Respekt voreinander, schätzen das, was sie haben. Ich fühle mich total wohl da, aber ich bin immer froh, von zu Hause nach Hause zu kommen. Ich liebe mein Leben in Tel Aviv. Jedes Mal, wenn ich mit meinem kleinen Sohn am Strand bin, denke ich, wie gut es uns doch hier geht. Es ist kulturell so viel los hier, das ist toll.

ZZ: Ballett spielt aber eher keine so große Rolle im Land…

Lissa: Das stimmt. Das ist hier nicht wie in Russland, wo jeder den Namen der Primaballerina kennt. Aber immerhin haben wir durch die russischen Einwanderer auch in Israel ein tolles, großes Publikum. Vor allem wenn man sich die Contemporary Dance-Szene anschaut, ist Israel aber sehr beeindruckend. Companies wie Bat Sheva sind weltweit bekannt.

Lissa Manetsch-Dorohina (Bild: Privat)

ZZ: Wo siehst du dich in ein paar Jahren? Immer noch in Tel Aviv?

Lissa: Erst einmal schon. Israel fasziniert mich immer noch, auch die Tatsache, dass man hier jüdische Feiertage, die ich früher nur mit meiner Familie gefeiert habe, im ganzen Land erleben kann. Hier gibt es außerdem so viele interessante Menschen, alles ist offener und lockerer. Und dazu das Wetter. Aber natürlich, manchmal vermisse ich die Schweiz. Dinge wie eiskaltes Wasser, das direkt aus dem Hahn kommt. Perfekt wäre ein Land, das halb Israel, halb Schweiz ist.

ZZ: Was sollten Besucher unbedingt in Israel sehen?

Lissa: Tel Aviv und den Norden. Der erinnert mich immer ein bisschen an die Schweiz.

ZZ: Vielen Dank für das Gespräch!

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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