MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Kolumne: Liebe in Zeiten von Lucy und Zachi

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Eine kleine Revolution hat sich in der vergangenen Woche in Israel zugetragen: Die arabisch-muslimische Nachrichtenfrau Lucy Aharish hat den jüdischen Fauda-Schauspieler Zachi Halevi geheiratet. Revolution? Ja! Zwar leben in Israel arabische und jüdische Israelis größtenteils gleichberechtigt (und ich sage nur deswegen „größtenteils“, weil sich Gleichberechtigung, egal, wie sie gesetzlich abgesichert ist, in keiner Gesellschaft 100 Prozentig durchsetzen lässt), aber sie treffen sich kaum. Man wohnt in verschiedenen Vierteln oder gar Städten und geht auf unterschiedliche Schulen. Eine Ehe zwischen diesen beiden Völkern in einem Land ist immer noch so exotisch, dass auch bei Bekanntwerden der Hochzeit von Lucy und Zachi feindselige Kommentare folgten.

Lucy Aharish gab ihre Hochzeit bei Facebook bekannt – es folgten viele Glückwünsche, aber auch ein paar feindselige Kommentare

Nun ist Lucy Aharish mit ihrem perfekten Hebräisch und ihrer Liebe für ihr Heimatland wahrlich eine Bilderbuchisraelin, aber das hielt Politiker wie den umstrittenen Likud-Mann Oren Hazan nicht davon ab, zu behaupten, sie hätte „eine jüdische Seele verführt“.
Der interessanteste Kommentar kam aber wohl von Innenminister, Arye Deri: „Es ist natürlich ihre Privatsache, aber wenn Sie mich als Juden fragen, muss ich sagen, dass ich gegen diese Dinge bin. Wir müssen unsere jüdische Nation so erhalten, wie wir sie tausende Jahre bewahrt haben. Aber sie kann immer noch konvertieren.“

Der Aufschrei in den israelischen Medien war riesig. Und auch ich fragte mich sofort, ob der Innenminister wohl weiß, dass er in seiner Rolle auch unsere arabische Bevölkerung repräsentiert? Ob er wohl weiß, dass wir im Jahr 2018 leben und das jüdische Volk ein paar Mischehen nicht nur verkraften, sondern willkommen heißen sollte? Dass keine Gesellschaft gut ist, wenn sie große Teile ausschließt – vor allem in so etwas wichtigem und emotionalen wie der Liebe. Doch dann fiel mir siedend heiß ein, wie ich – es ist noch gar nicht allzulange her – zu meinem Mann den denkwürdigen Satz sagte: „Ich habe kein Problem damit, wenn einer unserer Söhne sich in eine Nicht-Jüdin verliebt, sie kann ja konvertieren. Habe ich schließlich auch gemacht.“

Glauben Sie mir, vor zehn Jahren wäre mir das nie über die Lippen gekommen. Und auch jetzt kommt es mir falsch vor. Keine Kolumne der Welt wird ausreichen, um zu erklären, wie ich dazu komme, so etwas zu sagen. Gerade ich, die selbst – und das nicht selten – Sätze wie „Mischehen sind der neue Holocaust“ oder „Mischehen sind ein Verbrechen an den Kindern“ ertragen musste. Gerade ich, die romantisch genug ist, um an die Liebe zu glauben, die alle Unterschiede überwindet. Gerade ich, die sich über Lucys und Zachis Hochzeit gefreut hat, als hätten meine besten Freunde sich getraut. Und doch, ja, verdammt nochmal, es wäre mir lieber meine Kinder heiraten Juden. Es wäre mir lieber, sie führen diese Traditionen weiter, die wir ihnen mitgeben. Und dass sie auch ihren Kindern erklären, was es bedeutet, jüdisch zu sein.

Ich könnte das damit verteidigen, dass es nun einmal einfacher ist, wenn beide Partner den gleichen Background haben. Damit, dass das jüdische Volk nun einmal so klein ist und so viel erdulden musste, dass es sich immer noch konstant in seiner Existenz bedroht fühlt. Oder damit, dass ich mir diese Religion nicht ohne Grund ausgesucht habe und dass ich mir eben wünsche, dass meine Söhne auch all das Positive, all die Fragen und interessanten Gedanken aus dem Judentum ziehen, wie ich. Aber das sind dann doch, wenn wir ehrlich sind, alles keine guten Gründe, um einen anderen Menschen wegen seiner Religion oder Herkunft „abzulehnen“.

Ich weiß, dass meine Eltern anfangs nicht gerade darüber begeistert waren, dass ich zum Judentum übertrete. Unterstützt haben sie mich trotzdem. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle mal bedanken. Denn Liebe schafft Liebe. In Lucys und Zachis Fall ist diese Liebe ein Urknall. Eine Romeo- und Julia-Geschichte, die uns allen Hoffnung gibt, dass ein friedliches Zusammenleben im Nahen Osten doch vielleicht irgendwie, irgendwann möglich ist. Ja, es ist eine Revolution. Aber eine gute. Es ist der Beginn etwas Neues, nicht nur für das Paar persönlich (wir warten jetzt natürlich alle ungeduldig auf den Nachwuchs, ist ja immer noch Israel hier), sondern für uns alle und unseren Glauben an die wahre Liebe.

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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