MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

There’s no business like Israeli Showbusiness

in Reportagen

Israelische TV-Produktionen sind ein Exportschlager und locken Zuschauer auf der ganzen Welt vor den Bildschirm. Aber woher kommt diese Schöpfungskraft?

 

In Israel gibt es eine Redensart: «In einem Film leben» sagt man zu Träumern, wenn man sich über ihre scheinbar realitätsfremden Ansichten lustig macht. Dabei scheinen sich in Israel nicht nur die Träumer von Szene zu Szene zu bewegen. Wer in der israelischen Realität lebt, fühlt sich fast täglich wie im Film, denn kaum ein anderer Ort auf dieser Welt bietet so viel Drama und Unterhaltung, wie das kleine Land im Nahen Osten.

Realität oder Fiktion?

Ein Jahr vor der Rückkehr Gilad Shalits aus der Gefangenschaft in Gaza 2011, erschien die erste Staffel der israelischen TV-Serie „Hatufim“(„Gekidnappt“) und mit ihr der Trailer, der die neue TV-Sensation landesweit ankündigte. „Als wir den Trailer ausstrahlten, hielt man uns für geschmacklos“, sagt Ran Telem von der Produktionsfirma „Keshet“ in einem Artikel des „New Yorkers“. „Man werde den Trailer fälschlicherweise für Nachrichten halten und denken, Gilad Shalit käme nach Hause.“ Ein Moment, in dem Fiktion und Realität in Israel fast verschmolzen. Ein Jahr später kam Shalit frei und im selben Jahr verkaufte Keshet seinen TV-Hit an die USA. Dort erntete die Serie unter dem Namen „Homeland“ Auszeichnungen und Lob: Emmy, Golden Globe… Gideon Raff sowohl bei der israelischen, als auch beider US-Version als Produzent tätig.

„Hatufim“ ist nicht der einzige israelische TV-Exportschlager. Die Serie „BeTipul“ („In Behandlung“) wurde 2009 nicht nur in die USA, sondern auch nach Serbien und die Niederlande verkauft. Und „Bnei Aruba“ („Die Geiseln“) schaffte es unter anderem nach Deutschland. Seit Dezember 2016 ist die israelische Fernsehserie „Fauda“ („Chaos“) für ein weltweites Publikum beim Streaming-Anbieter Netflix verfügbar.

 

Casting-Innovation, made in Israel

Die Themen scheinen auf den ersten Blick immer dieselben zu sein: Nahostkonflikt, Entführung, Geheimdienst. Es ist natürlich kein Wunder, dass die glaubwürdigsten und sogleich spannendsten Produktionen mit diesem Inhalt aus Israel kommen. Doch Israel kann auch unbeschwert und unterhaltsam sein. Auch hier geniessen die Zuschauer zur Primetime gerne Castingshows, bei denen junge Unbekannte miteinander um die Wette singen. Eine der grössten Innovationen in dem Bereich kommt aus Israel: Als Keshet die Idee hatte, eine Smartphone-App mit einer Live- Show zu verbinden, entstand eine Sensation. Bei „HaKochaw HaBa“ („Der nächste Star“) konnte das Publikum 2013 zum ersten Mal mit Hilfe seines Smartphones in Echtzeit für seinen Lieblings-Kandidaten stimmen. Kurz darauf übernahmen Frankreich, die USA, England, Indonesien, Japan, China, Portugal, Brasilien und Griechenland das Konzept der Show. Auch Deutschland kaufte das Konzept für seine RTL-Produktion „Rising Star“.

Wer beim Fernsehen arbeitet, oder sich mit der Branche auseinandersetzt, weiss schon lange um die Schöpfungskraft Israels im Unterhaltungssektor. Israel hat über acht Millionen Einwohner und verhältnismässig ein so grosses TV-Angebot, wie kaum ein anderes Land. In Israel empfängt man über 30 Sender in hebräischer Sprache: Talk-Shows, Nachrichten-Journale, TV-Magazine, Reality-Formate…

Mit Risiko zum Erfolg

„In Israels TV-Landschaft trifft Kreativität auf Risikofreude“, sagt Ana Epstein aus Zürich. Sie hat in Tel Aviv bei der Produktionsfirma „Armoza“ gearbeitet und weiss, warum Israel so viel zu bieten hat: „Israels TV-Industrie ist noch sehr jung. Man muss schnell und furchtlos arbeiten, um mit seiner Idee der Erste auf dem Markt zu sein.“ Im Übrigen erarbeiten viele israelische Produktionsfirmen Konzepte mit dem Hintergedanken, diese später ins Ausland verkaufen zu können.

Israel ist als Ort der Innovation bekannt. Die „Start-Up-Nation“ ist nicht nur im Bereich Forschung und High-Tech Vorreiter, sondern eben auch im Unterhaltungssektor. Was auf die Wirtschaft des Landes zutrifft, wird auch im Umgang mit neuen TV-Formaten deutlich: Man probiert gern Neues. Und wenn eine neue Idee misslingt, wird dies nicht als Scheitern, sondern als Zwischenstufe zum Erfolg betrachtet.

Diesen Sommer hat es eine neue Sendung in die Welt geschafft: Die Fernsehserie „Lihiyot ita“ („Mit ihr zu sein“) wurde unter dem Namen „die Schöne und der Bäcker“ an Amazone Prime Video verkauft. Zuschauer in mehr als 200 Ländern können sich bald die Liebesgeschichte zwischen einer weltbekannten Schauspielerin und einem einfachen Bäcker anschauen. Und während sich eine weitere TV-Produktion auf Weltreise begibt, arbeiten zahlreiche junge Menschen in Israel an neuen Konzepten, die den Globus demnächst unterhalten werden.

Die freie Journalistin Joëlle Weil schreibt für diverse nationale und regionale Zeitungen und Magazine in der Schweiz. Seit 2013 lebt und arbeitet die Zürcherin in Tel Aviv.

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