Es gibt Tage, da fühlt man sich in Israel eingeengt. Wenn alle von Krieg reden, und davon, wie dieses Land von feindlich gesinnten Nachbarn eingeschlossen ist. Es gibt Tage, da findet man auch alles, was so in Israel normal ist, Lärm, Hitze, Staub, Raubeinigkeit seiner Bürger, ziemlich nervig. Und dann gibt es die letzte Woche. In dieser fand in Israel ein Radrennen statt. Nun bin ich persönlich, obwohl selbst passionierte Fahrradfahrerin seit Kindertagen, kein Fan dieses Sports, der nur noch aus Doping und zu engen Radlerhosen zu bestehen scheint – aber ich bin begeisterungsfähig, auch für Dinge, die mich eigentlich nicht besonders interessieren. Und dieses Sportevent, dieses Radrennen fällt eindeutig in diese Kategorie.
Es hat uns allen eine dringend nötige Pause von Iran-, Trump- und Syrien-Berichten verschafft. Denn, so sehr sich Israelis mit Leib und Seele für ihren Staat und seine Politik interessieren, so versessen springen sie auf jede Ablenkung an, die ihnen für einen kurzen Moment das Gefühl gibt, in einem normalen Land zu leben. Der Giro d’Italia, ein Etappenrennen ähnlich der Tour de France, das überwiegend in Frankreichs besser gelauntem Nachbarland stattfindet, kam erstmalig nach Israel, es war das erste Mal, das es überhaupt ausserhalb Europas ausgetragen wurde.
Ein einziger Mann, ein extrem wohlhabender jüdischer Kanadier mit einem Faible für Radsport, hat den Wettbewerb in das kleine Israel gebracht. Und wie Recht er damit hatte! Meine Güte, wenn man dieses Land plötzlich in so einem Setting, in Grossaufnahmen im Fernsehen, sieht: Jerusalem, Haifa, Akko, die Mittelmeerküste, die Wüste und natürlich Tel Aviv begreift man erst einmal wieder, wie schön es hier ist. Nein, es ist mehr als das. Dieses kleine Israel, der einzige jüdische Staat der Welt, eines der Länder mit der höchsten Bevölkerungsdichte, dieses sagenumwobene, heftig umstrittene Israel ist höchstwahrscheinlich perfekt in seiner Unvollkommenheit. Es ist ein kleines grosses Wunder. Und auch seine Bürger sind es. Wie sich alle an der Rennstrecke versammelten, gut gelaunt, friedvoll, ohne pöbelnde Besoffene, die man als Deutsche von wichtigen Sportevents (ich meine den Fussball!) kennt – das war was!
Dass die Rennradfahrer in gefühlten zwei Sekunden an uns vorbei gerast waren, egal! Dass unser kleiner Sohn dabei die ganze Zeit brüllte wie am Spiess, egal! Denn: Der Giro d’Italia hat uns mal wieder daran erinnert, was für ein Glück wir haben, an einem so wunderbaren Fleckchen Erde zu Hause zu sein.