MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

„Die israelische Architektur muss grüner werden“

in Israel Zwischenzeilen/Tourismus & Natur

Mitzpe Ramon, diese kleine israelische Wüstenstadt, mitten am spektakulären Ramon-Krater ist architektonisch nicht uninteressant. Während aber Bauten wie das Luxus-Hotel Beresheet nur so aussehen, als seien sie gut an ihre Umgebung angepasst (in Wahrheit ist der „Naturstein“ nur dekorierter Beton), ist das „Landroom Observatory“ wirklich aus Baumaterialen, die gut in die Wüste passen. Der kleine halbrunde nach oben hin offene Ausblickspunkt schützt seine Besucher vor dem Wind und bietet auf gerade einmal sechs Quadratmetern gleichzeitig einen kleinen, sehr privaten, wunderschönen Rückzugsort direkt am Krater. Vor allem aber ist das Observatorium komplett aus natürlichen Materialien gebaut: Nämlich aus Sand- und Kalkstein aus der Negevwüste, nur zehn Prozent Zement befinden sich in dem kleinen Bau.

Der Ausblickspunkt „Landroom Observatory“ in Mitzpe Ramon (Bild: GITAI ARCHITECTS).

Wenn es nach dem Architekten des Landroom Observatorys, Ben Gitai, geht, sollte Architektur sich viel öfter trauen, mit natürlichen Baustoffen zu bauen und nicht nur auf Protz und Glanz zu setzen: „Die Architektur, gerade in Israel, ist oftmals völlig unverhältnismässig, protzig und durch die hauptsächliche Verwendung von Beton vor allem umweltschädlich. Natürliche Baumaterialen bieten bessere Isolation und sind preiswerter. Es gibt keinen Grund, warum Israel davon nicht viel mehr Gebrauch machen sollte.“

Tatsächlich ist die Baubranche in Israel bisher nicht als besonders nachhaltig bekannt. Nicht nur müssen die Arbeitsbedingungen dringend verbessert werden, immerhin sterben auf israelischen Baustellen jedes Jahr 2,5 Menschen mehr als in der Europäischen Union (pro 100.000 Bauarbeiter). Zudem entsprechen viele Baustellen nicht annähernd den Baustandards, die man aus Deutschland oder der Schweiz kennt. Aber auch die Art, wie gebaut wird und wie wenig dabei auf Umweltschutz oder den Menschen, der dann in den Häusern leben soll, geachtet wird, ist problematisch. Viele Immobilienprojekte in der Geschichte Israels, gerade für den Wohnungsbau, mussten aufgrund des Mangels an ausreichendem Wohnraum unter extremen Zeitdruck hochgezogen werden – das sieht man bis heute. Und auch jetzt ist es noch so, dass in israelischen Städten ganze Nachbarschaften in wenigen Jahren aus dem Boden gestampft werden. Für architektonische Meisterleistungen bleibt da wenig Platz.

Das Observatorium in Mitzpe Ramon in der Nacht (Bild: GITAI ARCHITECTS).

Gitai, der in Haifa aufgewachsen ist, französische Wurzeln hat und an der ETH Zürich lehrt, glaubt aber trotzdem, dass gerade Israel als Start-up-Nation in der Bauindustrie ebenfalls ein Vorreiter werden könne. „Israel ist so ein junges, kleines Land, Veränderungen sind hier viel leichter möglich. Die Angst vor Innovation ist viel kleiner als in vielen anderen Ländern, weil Israelis keine Angst vor dem Scheitern haben – das sind die besten Voraussetzungen, um auch die Baubranche und Architektur im Land zu revolutionieren.“ Gitai orientiert sich in seinen eigenen Projekten an der Bescheidenheit eines Ben Gurions in seinem Wüstenhaus in Sde Boker. Materialien wie Lehm, Naturstein können nicht nur Wärme besser speichern, kühlen tagsüber und wärmen nachts, sie stossen auch keine Giftstoffe aus, die ihre Bewohner einatmen könnten. In einem weiteren Projekt, dem Jaffa Roof House, nutzte Gitai beispielsweise Wände, die aus Erde, Stroh und Kalkputz bestehen.

Wände aus natürlichen Baustoffen, die zu Israel passen: Das Jaffa Roof House (Bild: GITAI ARCHITECTS).

Sein nächstes grosses Projekt soll ein komplett auf natürlichen Baustoffen basiertes Hotel in Mitzpe Ramon sein: Dafür untersucht Gitai das Leben in der Wüste und wie man auch zum Beispiel Gemüseanbau in solche Wüstenprojekte integrieren kann. Hier sieht der Architekt Parallelen zu Herausforderungen, die auch andere Wüstenmetropolen wie Dubai beschäftigen: „Gerade während der Corona-Krise hat man in Dubai festgestellt, dass man lernen muss, sich besser selbst zu versorgen. Israel hat schon viel Erfahrung auf diesem Gebiet, hier wurden bereits viele Innovationen wie die Tröpfchenbewässerung entwickelt – wir können unser Wissen teilen und somit den Frieden mit unseren arabischen Nachbarn vertiefen.“

Ben Gitai will die Architektur in Israel nachhaltiger machen (Bild: privat).

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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