MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Kolumne: Sag mir, was du kaufst und ich sage dir, wer du bist

in Israel Zwischenzeilen/Kolumne/Leben, Kultur & Sport

Supermarktbesuche im Heiligen Land sind speziell. Das liegt natürlich an den Menschen, die man im Supermarkt trifft. Israelis sichern sich zum Beispiel schon mal gerne einen Platz in der Kassenschlange und gehen dann weiter einkaufen. Beim Bezahlen weisen die Kassierer auf sämtliche 1+1 Angebote hin (und davon gibt es viele) und der Spass geht von vorne los, weil man nun natürlich zurücksaust, um das +1 zu der Nudeltüte zu holen. Besonders kurz vor Schabbat sind die Wagen der Einkäufer so voll, dass man sich als Beobachter fragt, ob dort ganze Fussballmannschaften verpflegt werden.

Das israelische Statistikbüro hat jetzt festgestellt, dass die Inhalte der Einkaufswagen recht viel über die Käufer aussagen: Nicht überraschend ist, dass wohlhabende Israelis mehr für ihre Einkäufe ausgeben, als Geringverdiener: 3.565 NIS (etwa 860 Euro, 980 CHF) pro Monat zahlen die Bestverdiener der oberen 10 Prozent im Gegensatz zu den unteren 10 Prozent, die „nur“ 2.394 NIS (580 Euro, 660 CHF) für Lebensmittel ausgeben. Das bedeutet übrigens, dass die Geringverdiener im Land fast ein Drittel ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben.

Unterschiede gibt es auch zwischen dem Einkaufsverhalten jüdischer und arabischer Israelis: Arabische Familien geben im Durchschnitt 23,9 Prozent ihres Monatseinkommens für Lebensmittel aus, jüdische nur 15,9. Das liegt einerseits daran, dass in arabischen Haushalten mit 4,4 Personen im Durchschnitt eine Person mehr lebt, als in jüdischen Familien. Weil nur 34 Prozent der arabischen Frauen arbeiteten, so ein Marketingfachmann, sei es ausserdem normal, dass in arabischen Haushalten mehr gekocht wird. Nur wenige Kinder sind ausserdem im Schulhort und essen daher ihr Mittag zuhause, anders als jüdische Kinder, in deren Familien meist beide Elternteile arbeiten.

Auch, was gegessen wird, unterscheidet sich nach Herkunft: So geben arabische Israelis monatlich 974 Schekel für Fleisch aus (ca. 240 Euro, 270 CHF) – das ist fast drei Mal so viel, wie Juden im Land. Diese wiederum kaufen vor allem Obst und Gemüse und definitiv mehr Alkohol als die arabische Minderheit im Land. Doch auch zwischen jüdischen Supermarkt-Einkäufern gibt es Unterschiede: Traditionell-gläubige Juden geben am meisten für Nahrungsmittel aus, ultraorthodoxe Familien hingegen zahlen monatlich etwa genauso viel für ihre Einkäufe wie säkulare Israelis – und das obwohl erstgenannte deutlich kinderreicher sind.

Eins aber haben alle israelischen Haushalte gemein: Etwa 12 Prozent der Ausgaben gehen für Milchprodukte drauf. Das könnte erklären, warum die hohen Cottage-Preise 2011 heftige Proteste auslösten. Im Moment ist es übrigens die Butter, die in israelischen Supermärkten für Furore sorgt. Weil die israelischen Milchproduktehersteller erfolglos mehr staatliche Subventionen für ihre Butter fordern, liegen in den Regalen aktuell nur teure, ausländische Buttererzeugnisse. Diese werden dafür aber von Woche für Woche riesiger. Als ich den Supermarkt-Kassierer in der vergangenen Woche darauf ansprach, schüttelte er nur mit dem Kopf: „Naja, die Kinder werden es schon essen, oder?“ Dann redete er weiter: „Wieviele Kinder hast du nochmal? Was, nur zwei? Ich rufe jetzt gleich deinen Mann an, wie heisst er?, ah ok, also ich rufe ihn an und sage ihm, dass er dir heute Abend gleich noch ein Kind machen soll, ach, weisst du, am Besten gleich Zwillinge, ja, sag ihm das, heute Abend werden Zwillinge gemacht!“
Ich nicke lachend, während ich meine gigantische Butter einpacke, mit der ich künftig vier Kinder ernähren soll. Heute Abend, Zwillinge machen – mit dem Auftrag verlasse ich den Laden. Ich sage ja, Supermarktbesuche in Israel sind speziell.

Grösser als die Butterdose – dafür aus Finnland. Butter aus dem israelischen Supermarkt. Kostenlos dazu gibt es Tipps zur Familienplanung (Bild: KHC).

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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