MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Zehn Prozent der Bevölkerung sind bereits geimpft – die dritte Welle kommt trotzdem

in Israel Zwischenzeilen/Medizin & Wissenschaft

Israel impft weiter fleissig seine Bevölkerung: Über eine Million Israelis, mehr als 10 Prozent der Bevölkerung, haben seit Beginn der Impfkampagne am 20. Dezember bereits die erste Dosis gegen den Corona-Virus bekommen. Die Bewunderung für den jüdischen Staat und seine Effizienz in dieser Sache ist weltweit gross: Israel ist ein kleines Land mit einem sehr guten weit verzweigten Gesundheitssystem, ein Grossteil der Bevölkerung lebt in Städten und kann daher die neu aufgebauten Impfzentren gut erreichen. Es gibt im Gegensatz zu Deutschland beispielsweise keine Bundesländerpolitik und man muss auch nicht wie in den Ländern der Europäischen Union auf eine Entscheidung von oben warten. Dazu kommt, dass Benjamin Netanyahu für seinen Wahlkampf einen Erfolg mit der Impfkampagne dringend benötigt, vielleicht hat die israelische Regierung auch deshalb unbestätigten Meldungen zufolge pro Impfung 56 Dollar gezahlt und damit doppelt so viel wie die EU-Länder.

Um Herdenimmunität zu erreichen, müssten aber mindestens 70 Prozent der israelischen Bevölkerung geimpft werden – wie lange das noch dauern wird, weiss keiner. Und ganz reibungslos läuft die Impfkampagne auch in Israel nicht: Vielerorts wurden zu viele Impfdosen geliefert so dass Impfzentren begonnen hatten, wahllos Leute zu impfen, damit die Dosen nicht verfallen. In Tel Aviv hat die Stadtverwaltung tausende Lehrer geimpft, obwohl diese nicht zur Altersgruppe der über 60-Jährigen und auch nicht zur Risikogruppe der chronisch Kranken gehörten. All diese Impfdosen könnten nun für die älteren und chronisch kranken Bürger fehlen. Darüberhinaus zeigen verschiedene Fälle im Land, dass sich Menschen auch nach der ersten Impfung noch mit dem Corona-Virus infizieren können.

Vor allem aber kämpft das Land nun mit der dritten Welle. Die Fallzahlen liegen täglich schon wieder weit über 8000 Neuinfektionen, 7,6 Prozent der Coronatests kommen positiv zurück. Das Gesundheitsministerium fordert einen schärferen Lockdown und vor allem die Schliessung der Schulen. Krankenhausdirektoren warnen, dass Israel die bisher schlimmste Welle an Corona-Infektionen durchlebt. Man sähe vor allem mehr junge Patienten, die eingeliefert werden müssen. Zum Teil würden sich ganze Familien infizieren. Die Regierung kündigte an, in der kommenden Woche Schulen und Kindergärten wieder zu schließen.

Lange Schlangen vor dem Corona-Testzentrum in Tel Aviv (Bild: Nahum Ciobotaru).

Weitere Informationen:

Experten warnen vor Intensität der dritten Welle (eng), Times of Israel

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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