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Israel begeht Holocaust-Gedenktag

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Wie jedes Jahr, hat Israel in der vergangenen Woche den Holocaust-Gedenktag begangen. Neben der zweiminütigen Gedenksirene und der offiziellen staatlichen Zeremonie, fanden im ganzen Land kleinere Gedenkveranstaltungen statt. Dabei haben besonders die Treffen im Rahmen des so genannten „Sikaron Basalon“ (zu Deutsch: Erinnerung im Wohnzimmer“) wieder viele Gäste angezogen.

Israels Präsident Herzog war in seiner Residenz Gastgeber für einen „Sikaron BaSalon“, der gut verdeutlicht, wie die Erinnerung an die Shoa auch in diesem Jahr vom immer noch anhaltenden Krieg geprägt wird: In seiner Runde sassen neben einem Shoa-Überlebenden auch ein Vater, dessen Sohn im Krieg gefallen ist und eine junge Frau, deren Vater mehr als ein Jahr als Geisel von der Hamas gefangen gehalten wurde.

Sikaron Basalon – vor 14 Jahren in einem einzigen Wohnzimmer ins Leben gerufen – ist zu einer lebendigen Tradition im ganzen Land geworden. Laut einer Umfrage des Geocartography Institute (Juni 2024) kennen 84 Prozent der Israelis Sikaron Basalon, und mehr als 2 Millionen Menschen haben im vergangenen Jahr daran teilgenommen. 65 Prozent der Bevölkerung erklärten sich bereit, eine solche Veranstaltung auszurichten oder daran teilzunehmen, und 39 Prozent sind sogar daran interessiert, die Geschichte eines Holocaust-Überlebenden zu erzählen, der nicht zur Familie gehört – Zahlen, die einen tiefen Wunsch widerspiegeln, sich zu beteiligen, zu erinnern und weiterzugeben. Die Veranstaltungsreihe gibt es seit einigen Jahren auch in Deutschland.

Inzwischen sprechen in vielen „Wohnzimmern“ Vertreter der zweiten Generation, weil es immer weniger Shoa-Überlebende gibt, die noch aus der furchtbaren Zeit, die sie erlebt haben, sprechen können. Dass aber auch die Zweite Generation spannende Geschichten zu erzählen hat, zeigte zum Beispiel der Abend mit Henry Jakubowicz, den die deutsch-israelische Organisation Tacheles in ihren Räumlichkeiten in Tel Aviv organisierte: Jakubowicz erzählte berührend und kurzweilig aus seinem Leben als Sohn eines polnischen Shoa-Überlebenden, der sich nach dem Krieg in Dortmund niederliess. Vor allem die Beschreibungen seiner ungarischen Oma, die den Holocaust in einem Konzentrationslager überlebte, waren besonders eindrücklich: „Meine Oma würde plötzlich, völlig aus dem Nichts vereinzelte Sätze sagen. Dinge wie: ‚Und die, die nicht mehr wollten, warfen sich einfach in den Zaun, um zu sterben‘. Oder wenn man mit ihr einfach auf dem Rasen im Garten sass: ‚Wir haben damals Gras gegessen, das hat uns das Leben gerettet.‘ Ich war ein kleiner Junge, acht, neun Jahre alt und verstand gar nicht, wovon sie redete.“

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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