Seit dem 7. Oktober ist alles anders in Israel. Es ist, als hätte sich ein dunkles Loch aufgetan, in das wir alle hineingefallen sind. Seit dem 7. Oktober irren wir in dieser Dunkelheit herum und versuchen irgendwie so etwas wie Alltag und Routine herzustellen. Wir legen unsere Kinder abends schlafen und sind dabei unendlich dankbar, dass wir überhaupt noch Kinder haben, die wir schlafen legen können. Und Betten, in denen sie liegen. Wir telefonieren mit unseren Eltern und können uns nicht vorstellen, wie es wäre, sie zu verlieren. Wir umarmen unsere Freunde extra fest und denken, Gottseidank, haben sie überlebt, Gottseidank sind sie noch hier. Wir schauen in den Spiegel und sehen, auch wir sind noch da. Unsere Herzen schlagen und unsere Füsse tragen uns jeden Tag einen Schritt weiter. Wir sind dankbar, ja, wir leben, ja, aber trotzdem stecken wir auch in dieser tiefsten Dunkelheit fest. Wir leben hier unten in diesem dunklen Loch und versuchen einander daran zu erinnern, wie sehr wir das Leben lieben. Und dass selbst dieses Leben mit der Dunkelheit ein riesiges Geschenk ist. Wir versuchen hier unten die Ambivalenz zu ertragen, dass wir weiterleben, obwohl alles weh tut.
Seit vier Tagen scheint ab und zu Licht in unsere Dunkelheit. Mit den Freilassungen der Geiseln, mit den Videos von Kindern, die in die Arme ihrer Eltern laufen, tröpfelt ein bisschen Hoffnung in die Venen unserer geschundenen Seelen. Nur um kurz darauf wieder der Dunkelheit zu weichen, die sich über uns legt, wenn bekannt wird, dass die Hamas nicht einmal genau weiss, wo sich mehr als 40 der entführten Kindern und Frauen überhaupt befinden. Nur um kurz darauf wieder der Dunkelheit zu weichen, weil die Kleinsten der Entführten, Baby Kfir, sein vierjähriger Bruder und seine Eltern, immer noch nicht auf der Liste stehen. Nur um kurz darauf wieder der Dunkelheit zu weichen, wenn wir sehen, wie die Rote-Kreuz-Wagen, in ihnen gekidnappte, verängstige israelische Kinder, bis zum letzten Meter von einem grölenden palästinensischen Mob bedrängt werden. Nur um kurz darauf wieder der Dunkelheit zu weichen, wenn wir uns erinnern, wieviele Frauen und Männer, jung und alt, immer noch in Gaza gefangen gehalten werden. Nur um kurz darauf wieder der Dunkelheit zu weichen, weil die Hamas natürlich kein verlässlicher Partner ist und immer wieder perfide ihre Spielchen auf dem Rücken von unschuldigen Menschen treibt.
Die Dunkelheit um uns herum ist echt. Sie ist bedrückend. Sie begann mit den Massakern vom 7. Oktober, aber hört mit der Rückgabe von ein paar Dutzend Geiseln leider nicht auf. Ich frage mich oft, was schlimmer ist: Totale Dunkelheit und das Gewöhnen daran? Oder die Erinnerung, dass es noch so etwas wie Licht gibt, nur um dann zu realisieren, dass es gerade einfach nicht stark genug ist, um die Dunkelheit zu beseitigen? Seit dem 7. Oktober habe ich kaum noch Antworten, sondern vor allem Fragen. Wie können wir das alles hier jemals überwinden? Wie können wir weiterleben? Wie kann es jemals Frieden geben? Wie können wir jemals zusammen auf diesem kleinen gebeutelten Fleckchen Land leben?
Ich versuche trotz aller Dunkelheit den ab und zu einfallenden Lichtstrahlen die Hoffnung abzuringen, die ich so gerne fühlen möchte. Ich sehe meine Kinder an und weine und lache, weil sie hier bei mir sind. Und gesund. Und einigermassen unversehrt von dem Grauen,
das sich um sie herum abspielt. Ich versuche zu schreiben, immer wieder zu schreiben, und die Welt davon abzuhalten, unsere Dunkelheit zu ignorieren. Ich versuche morgens aufzustehen und zu glauben, dass es einen guten Grund fürs Aufstehen gibt, auch hier unten, in diesem dunklen Loch. Ich lebe weiter, so wie alle Israelis, die gerade weiterleben. Hier unten in unserem dunklen Loch ist Platz für Trauer und Schmerz, für Wut und Verzweiflung, aber auch für Stärke und Resilienz. Wir leben weiter mit der inständigen Hoffnung, dass es wirklich immer genau dann am dunkelsten ist, wenn die Morgendämmerung kurz bevor steht.