
„Schweizer Banken in Israel?“, Philippe Weil legt die Stirn in Falten und überlegt, „allein hier auf dem Rothschild Boulevard fallen mir zehn Schweizer Banken ein.“ Ob Grossbanken, Privatbanken oder Vermögensverwalter – Philippe Weil, ein etablierter Schweizer Bänker und Vermögensberater, der Büros in Tel Aviv und Zürich unterhält, kennt sie alle. Das Bankengeschäft, für das die Schweiz so berühmt ist, hat sich jedoch in seiner Repräsentanz im jüdischen Staat über die letzten Jahrzehnte sehr verändert. Bis 1998 war es israelischen Staatsbürgern verboten, Geld im Ausland zu deponieren. Als dieses Gesetz aufgehoben wurde, kamen alle Schweizer Banken in Windeseile nach Israel.
„Israel ist interessant für die Vermögensverwaltung, denn es gibt hier altes, über Generationen erwirtschaftetes, wie auch neues „High-Tech“-Geld und traditionell war es so, dass die Juden als Flüchtlinge ein hohes Sicherheitsbedürfnis für ihre Investitionen hatten und ihr Geld in vielen verschiedenen Ländern deponierten. Dass man zum Beispiel in Immobilien investiert, ist relativ neu, denn Immobilien, so die jüdische Erfahrung, können schnell genommen werden“, erklärt Weil in seinem Tel Aviver Büro mit Blick auf das Mittelmeer. Seit 2003 gilt jedoch ein Steuergesetz in Israel, das besagt, dass alle Vermögenswerte aus dem Ausland im Land versteuert werden müssen. Spätestens, als dann 2017 in der Schweiz auch noch das Bankgeheimnis aufgehoben wurde und der Informationsaustausch zwischen den OECD Ländern geregelt wurde, mussten auch die letzten Israelis ihre Schweizer Bankkonten angeben und ihre Steuerschuld
begleichen. Der ursprüngliche Vorteil, den Schweizer Banken bieten konnten, fiel damit weg und man musste neue Wege finden, israelische Kunden zu überzeugen.
Israelis investieren in Israel lieber mit Israelis
Philippe Weil kennt die Gründe, warum Israelis mit Schweizer Banken zusammenarbeiten. Er kennt aber auch die Bereiche, in denen es nicht geklappt hat: „Schweizer Banken haben versucht, auch mit den lokalen Banken und Vermögensverwalter in Israel zu konkurrieren, aber die Wahrheit ist, dass Israelis in Israel lieber mit Israelis investieren. Die Schweizer Banken sind im Land vor allem für die internationale Vermögensverwaltung beliebt. Das hat mehrere Gründe: Israelische Vermögensberater sind erst seit relativ kurzem in diesem Sektor tätig, die Schweiz hingegen kennt sich seit 200 Jahren mit Geld aus. Und dass ist es, was die Schweiz bieten kann: Einen sicheren Ort für das Geld, eine stabile Währung, einen hohen Standard und konservative Werterhaltung. Ein internationales Umfeld und ganz viel Know-how sozusagen.“

Während die Schweizer Vermögensverwaltung vor allem für die so genannte „Old Economy“ in Israel interessant ist, tut sich in dem High-Tech-Bereich einiges in die umgekehrte Richtung. Im „Fintech“ Bereich suchen Schweizer Investoren nach interessanten Projekten in Israel. Der Begriff Fintech umspannt sämtliche Unternehmen, die innovative, technologiebasierte Lösungen rund um das Thema „Finanzen“ bieten. „Israel bietet der Finanzwelt ein aussergewöhnliches Ökosystem aus Unternehmertum, Innovation und Neuartigkeit. Dieses Ökosystem hat bereits Weltmarktführer im Bereich Fintech hervorgebracht“ schreibt der israelische Fintech-Verband „Fintech Community“ auf seiner Webseite.
Israel und Schweiz wollen Zusammenarbeit in Finanzbranche verstärken
Da ist es kein Wunder, dass die Finanzminister von Israel und der Schweiz vor fünf Jahren ein Memorandum unterzeichnet haben, das nicht nur die Zusammenarbeit in der Finanzdienstleistungsbranche stärken und einen regelmässigen Finanzdialog zwischen den Ministerien unterstützen soll, sondern auch eine Vereinbarung zwischen der Schweizer Finanzaufsichtsbehörde Finma, der israelischen Kapitalmarkt-, Versicherungs- und Sparaufsichtsbehörde (CMISA) und der israelischen Wertpapieraufsichtsbehörde (ISA) zur Förderung der Zusammenarbeit im Fintech-Bereich enthielt.
Auch für David Biegeleisen, der in der Schweizer Botschaft in Tel Aviv die Innovationsabteilung leitet, ist der Fintech-Bereich ein überaus spannendes Thema: „Erst im vergangenen Jahr haben wir gemeinsam mit dem Peres Center for Peace and Innovation ein grosses Webinar mit dem Titel ‚Green Digital Finance – Brücken zwischen Israel und der Schweiz‘ veranstaltet. Die Schweiz verfügt über umfassendes Know-how in den Bereichen Vermögensverwaltung und nachhaltige Finanzen, während Israel über einen der dynamischsten Hightech-Sektor der Welt und eine Vielzahl von Start-ups und Vcs (Venture Capitalists) verfügt. Schweizer Green-Fintech-Start-ups können von den israelischen Erfahrungen im VC-Sektor lernen und die Schweiz kann ihr Wissen über grüne digitale Finanzierung teilen.“
Aufzeichnung der Online-Konferenz, die sich im vergangenen Jahr mit grünem Fintech zwischen Israel und der Schweiz beschäftigte
Dass das ein besonders heisses Thema ist, liegt daran, dass im Finanzsektor ein Generationswechsel im Gange ist. Millennials versuchen zunehmend, ihr Vermögen nachhaltig und digital anzulegen.
Ein Bereich, in dem israelische Start-ups auch extrem aktiv sind in der Schweiz, ist rund um das Thema Kryptowährungen herum. Viele israelische Organisationen und Unternehmen haben Investitionen über ICOs erhalten, eine weitere Form der Kryptowährung, die Unternehmen nutzen, um Kapital zu beschaffen. Über ICO-Handelsplattformen erhalten Investoren einzigartige „Kryptowährungs-Token“ im Austausch für ihre Geldanlage in das Unternehmen. Die Schweiz ist in diesem Bereich extrem fortschrittlich aufgestellt und hat, anders als Israel oder die USA, schnell eine Taskforce initiiert, die Gesetze für den Umgang mit diesem Thema verankert hat. Und während es in Israel lange in Problem war, Kryptowährungen in Cash einzutauschen, machen Schweizer Banken diesen Vorgang unkompliziert möglich – so lange der Besitzer beweisen kann, dass es sich dabei nicht um Geldwäsche handelt.
Doch obwohl im Fintech riesige Chancen für Kooperationen zwischen Israel und der Schweiz liegen, fokussiert zumindest der Innovationsexperte Biegeleisen in seiner Arbeit noch auf andere Branchen: „Wir arbeiten momentan vor allem an Kooperationen im Bereich Health- und Foodtech, denn dort gibt es schon unzählige Schweizerisch-israelische Projekte. Im Bereich Fintech haben zumindest wir erst einmal festgestellt, dass der Bankensektor doch immer noch sehr verkrustet ist, Innovationen brauchen dort sehr viel Zeit. Das Thema steht aber definitiv in den nächsten zwei Jahren auf unserer Liste.“