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Ultraorthodoxe Gemeinde akzeptiert landesweiten Lehrplan

in Israel Zwischenzeilen/Leben, Kultur & Sport

Es ist ein kleiner Schritt, der doch Grosses verheisst: Die ultraorthodoxe Belzer-Gemeinde hat sich nun zum allgemein in Israel gültigen Lehrplan bekannt. Ab kommenden Schuljahr sollen die Jungenschulen in den Klassen eins bis acht endlich alle Kernfächer wie Mathematik, Hebräisch, Wissenschaften und Englisch auf gleichem Niveau wie landesweit üblich lehren. Das hat die Gemeinde mit dem israelischen Bildungsministerium vereinbart, als Gegenleistung erhalten die religiösen Schulen erfolgsabhängig eine Komplettfinanzierung durch den Staat.

Die Belzer Gemeinde, angeführt von Rabbi Yissachar Dov Rokeach, ist die zweitgrösste hassidische Sekte im Land und etwa 7.000 Kinder werden von der Reform profitieren. Die Hoffnung des Bildungsministeriums ist natürlich, dass andere ultraorthodoxe Gruppierungen dem Beispiel der Belzer folgen werden. Ultraorthodoxe Gemeinden haben im Land im Prinzip ihr eigenes Schulsystem, in dem Jungs und Mädchen getrennt voneinander lernen und vor allem bei der Ausbildung der Jungen fast nur auf Thorastudien fokussiert wird. Kernfächer wie Mathematik, Hebräisch, Englisch oder gar Biologie werden nur rudimentär gelehrt, so dass die meisten Kinder, die diese Schulen abschliessen, selbst wenn sie wollen, gar keine Chance auf dem regulären Arbeitsmarkt haben.

Ultraorthodoxe Männer sind, neben arabischen Frauen, die Gruppe in Israel, die am wenigsten in den Arbeitsmarkt integriert ist. Die israelische Regierung ist sich sehr wohl im klaren darüber, dass die am stärksten wachsende Minderheit im Land dringend besser auf dem Arbeitsmarkt integriert werden muss und das Bewusstsein dafür steigt auch in den ultraorthodoxen Gemeinden immer mehr – oftmals ist es die pure Armut, die diese Veränderung antreibt, die kinderreichen Familien leben vielerorts am Existenzminimum. Die Einführung des regulären Lehrplans ist definitiv ein Anfang.

Ultraorthodoxe Juden aus der Belz-Sekte bei Purim Feierlichkeiten (Foto: By Daniel575, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1762458).

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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