Es ist gar nicht so einfach, Neot Smadar zu besuchen. Obwohl die Bewohner des kleinen Kibbutz im südlichen Teil der Negev-Wüste mit ihrem Kulturzentrum, einem auffälligen Aladin-Welt-ähnlichen Turm ein Wahrzeichen geschaffen haben, das sich von der Landstrasse nur schwer ignorieren lässt, ist das keine automatische Einladung. Wer den 1989 von jungen Jerusalemern gegründeten Kibbutz besuchen will, braucht eine Eintrittskarte (diese kostet etwa 8 Euro, 8,60 CHF pro Person). Einmal in dem Ort angekommen, den seine Bewohner aufgebaut haben, um gemeinsam eine alternative Lebensform auszuprobieren, hört man von seinen Bewohnern immer wieder, dass hier eine ganz besondere Philosophie herrscht.
„Wer hier herziehen möchte, muss in unsere Gemeinschaft hineinpassen“, erzählt Dalia, die die Kunsthandwerksgalerie im Kulturzentrum leitet, „Es gibt eine lange Warteliste von Anwärtern, aber nicht alle sind geeignet für unser Zusammenleben.“ Wie genau die Lebensphilosophie von Neot Smadar aussieht, ist nicht ganz so einfach herauszufinden: Im Dorf leben eine ganze Menge bildender Künstler. Sie haben ihre Ateliers in dem rosa-türkis-farbigen Kulturturm und kreieren Skulpturen, Keramiken, Holzkunst und vieles mehr. Zum Teil auch gemeinsam. Darüber hinaus geben sie Workshops für Besucher. Neben den Künstlern gibt es aber auch alle möglichen anderen Berufsgruppen, die in dem Kibbutz ihr zuhause und Arbeit gefunden haben: ein kleines Weingut, ein Geschäft für Spezialitäten, die in dem Kibbutz hergestellt werden (darunter Honig, Olivenöl, Schnäpse, Säfte und Ziegenkäse) sowie eine Plantage für Datteln sind nur einige der Arbeitsmöglichkeiten für Bewohner.
„Wir haben das südlichste Weingut Israels“, erzählt Schmuel, der seit Jahren die Weinherstellung im Dorf betreut, „Und ja, unser Zusammenleben hier ist besonders. Wir wollen gemeinsam lernen und leben, in einem echten, harmonischen Zusammenleben, bei dem man nicht nur solidarisch ist, sondern sich selbst auch immer wieder weiterentwickelt. Deshalb ist es auch Pflicht, etwa alle sieben Jahre innerhalb des Dorfes umzuziehen.“
Die Frage nach dem Sinn des Lebens und wie man moralisch leben kann, spiegelt sich auch darin wieder, dass der Kibbutz vegetarisch ist und abgesehen von der Ziegenzucht und der Honigherstellung keine weiteren tierischen Produkte herstellt oder konsumiert. Und: Jeder im Dorf soll einen Platz und eine Aufgabe haben.
Das Leben um den Aladin-Turm herum, der ganz und gar von Kibbutz-Mitgliedern entworfen und gebaut wurde, und durch seine besonderen Bauweise ohne Klimaanlage auskommt, soll geprägt sein von Fragen und dem Lernen. Von Kreativität und Kooperation. Diesen Lebensstil bietet das Dorf auch den Freiwilligen an, die hier aus allen Teilen Israels und der Welt herkommen, um mitzuhelfen. Ob nachhaltige Landwirtschaft und Architektur oder Wasserrecycling (alle Oliven-, Obst-, Gemüse und Dattelplantagen im Ort werden mit Salzwasser und recyceltem Abwasser bewässert) und Kunsthandwerk – die Betätigungsmöglichkeiten sind vielfältig. Temporär kann man dann Teil der Gemeinde werden, zu der etwa 100 Menschen gehören. Im Kibbutz gibt es zwar keine Bar, aber dafür einen Kindergarten und eine Grundschule. Ein bisschen dichter zur Hauptverkehrsstrasse befindet sich auch ein vegetarisches Restaurant, das für alle offen ist – anders als der Kibbutz mit dem Kunstturm, dessen Zufahrt mit einer Schranke versehen ist.
Nein, allzu viele Besucher möchte man hier auf dieser Insel mitten in der Negev-Wüste nicht. Wer es aber schafft, kann eine ganz besondere Gemeinschaft von Idealisten sehen, die hier einen Ort geschaffen haben, der alternative Wege zum Leben auslotet.
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