In Ramla, einer Stadt, die vor allem für ihre einkommensschwache Bevölkerung und hohe Kriminalität bekannt ist, hilft das TRUST-Zentrum denen, die in der israelischen Gesellschaft oft vergessen werden…
Als Sahar Elesawi 1984 nach Ramla kam, um dort mit ihrem frisch angetrauten Ehemann zu leben, sprach sie nicht einmal Hebräisch. Die Palästinenserin war in Jordanien aufgewachsen und das Nachbarland Israel eine andere Welt: „Ich hätte gerne studiert, aber mir fehlten die Sprachkentnisse. Dabei nannte man mich zu Hause einen ‚Bücherwurm‘. Als ich dann in Ramla eines Tages zwei Frauen entdeckte, die ebenfalls ein Kopftuch trugen, rannte ich zu ihnen und fragte sie aus: Wohnt ihr auch hier? Wohin geht ihr? Sie erzählten mir von einem Kurs, den sie besuchen – auf arabisch und dann bin ich einfach mit.“ Heute ist Sahar Elesawi die Direktorin des TRUST-Programms in Ramla. Sie hat sich von einer Volontärstelle hochgearbeitet, nebenbei Psychologie und System Management studiert und ist mächtig stolz auf die fünf Programme, die in „ihrem“ Zentrum in Ramla angeboten werden.
Dazu gehört das Programm „Mother-to-Mother“, in dem Frauen, die in der Gemeinschaft durch ihre positive Arbeit oder moderne Art der Kindererziehung aufgefallen sind, anderen Frauen zur Seite stehen. Zwei Mal pro Woche treffen sie sich mit anderen Müttern, die Frauen lernen viele Aspekte modernerer Erziehungsmethoden kennen, aber werden auch über Ernährung und die Handhabung von Computern geschult. „Manche Frauen haben schon sechs, sieben Kinder und hören zu ersten Mal, dass es gut ist, mit den Kindern auf Augenhöhe zu reden“, betont Elesawi die enorme Bedeutung des Programms. Natürlich, das gibt die Chefin des Zentrums zu, reiche es nicht, „nur“ die Frauen einzubinden: „Wir führen regelmässige Treffen durch, bei denen die Ehemänner dabei sind, es reicht nicht, wenn nur die Frauen lernen. Aber wenn die Frauen an Bord sind, ziehen die Männer meist mit.“
„Gibst du Respekt bekommst du Respekt zurück“
Moderne Erziehungsmethoden sind dringend nötig, denn in vielen arabischen Familien in Israel gehört körperliche Gewalt noch zur Normalität. Dazu kommt, dass die Familie alles dominiert und Frauen oft kaum Kontakte zur Aussenwelt haben. Für die Mitarbeiterinnen des Zentrums ist es nicht immer einfach, in diese verschlossenen Gemeinschaften vorzudringen: „Wir haben bei der Arbeit zum Beispiel sehr schnell gemerkt, dass die Schwiegermütter einen grossen Einfluss haben und wir diese deshalb in unsere Arbeit einbeziehen müssen. Manchmal planen wir auch etwas und merken dann, dass die Bedürfnisse ganz andere sind“, erklärt Elesawi die Herausforderungen in ihrer Arbeit und fügt hinzu: „Der Name TRUST ist Programm. Gibst du Respekt, bekommst du Respekt zurück. Wir sprechen mit den Leuten auf Augenhöhe und so können wir sie überzeugen.“
Für Farid Abu Gosh, den „Vater“ der Idee mit den TRUST-Zentren, die 1984 in Jerusalem entstand, ist es deswegen besonders wichtig, dass sein Verein als Grassroot-Organisation nach dem Bottom-up-Prinzip arbeitet. Abu Gosh, der aus Jerusalem stammt, ist einer der wichtigsten Frauenrechtler der arabischen Community: Als Präsident der Organisation „TRUST“ setzt er sich unermüdlich für ein besseres Leben für diejenigen ein, die oft am Rande der israelischen Gesellschaft vergessen werden und glaubt, dass es vor allem die Frauen sind, die die Gesellschaft Stück für Stück verändern werden. Unterstützt wird er dabei vom Schweizer Hilfswerk für benachteiligte Kinder und Jugendliche in Israel, Kiriat Yearim, die sich seit 1951 im Land engagieren.
Die Bildungsprogramme für die israelisch-arabische Bevölkerung, setzen da an, wo der Staat oftmals versagt. In den Schulen zum Beispiel, wo verhaltensauffällige Kinder oder solche, die nicht mitkommen, nicht speziell gefördert werden können. Auch das Nachhilfeprogramm „Lernen durch Spielen“ für Grundschulkinder in Ramla gehört zu den Programmen des TRUST-Zentrums. Geleitet wird es seit kurzem von Sabrin Salama. Die 29-Jährige stammt aus Betlehem und ist genauso wie Elesawi nach Israel gekommen, um einen arabisch-israelischen Mann zu heiraten. Bisher spricht sie kein Hebräisch, doch in ihrer täglichen Arbeit mit den Lehrern und Schülern braucht sie die Sprache auch nicht.
In Ramla leben etwa 76.000 Menschen, 80 Prozent von ihnen sind Juden, 20 Prozent Araber. Doch während sie sich in Supermärkten und vielleicht noch im Ärztezentrum begegnen, ist ihr Leben ansonsten relativ voneinander getrennt. Vor allem die Tatsache, dass die Kinder auf getrennte Schulen gehen, trägt dazu bei. Ein Programm, was den Unterstützern des TRUST-Zentrum besonders am Herzen liegt, ist deswegen „Beijachad“ (zu Deutsch: zusammen), eine Art Spielgruppe, bei der arabische und jüdische Eltern mit ihren kleinen Kindern zusammentreffen. „Da sitzt man dazwischen und es ist unmöglich zu sagen, wer was ist“, erklärt Sahar Elesawi begeistert und spätestens in diesem Moment versteht man, dass in Ramla, dieser Stadt mit dem schlechten Ruf, Leute leben, denen ihre Mitmenschen wirklich am Herzen liegen.
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