MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Kolumne: Partykultur auf Hebräisch

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Am Wochenende waren wir mal wieder auf einer Bar Mizwa eingeladen. Die zweite innerhalb von zwei Monaten. Hochzeiten, Beschneidungsfeiern, Geburtspartys oder eben Bar und Bat Mizwas stehen hier hoch im Kurs. Zu Geburtstagen werden wir dafür eher seltener eingeladen. Und schon gar nicht von Leuten über 50. Als ich neulich israelischen Freunden erzählte, dass ich bald den 70. meines Vaters ausrichten werde, erntete ich nur verständnislose Blicke. Goldene Hochzeit und 90. Geburtstage – das feiert hier keiner. Ältere Israelis gehen nur noch zu Partys, einladen tun sie selbst kaum.

Das liegt vielleicht auch an der Art, wie gefeiert wird. Als wir am Samstag bei der Bar Mizwa vom Sohn der Cousine meines Ehemanns (gilt hier als „engere“ Familie) ankamen, sahen fast alle Gäste über 60 aus, als müssten sie sich übergeben. Eine Horde Kinder zerlegte die Tanzfläche. Alle dazwischen prügelten sich am Büfett ums israelische Sushi. Den Lautstärke-Pegel in dem für die angekarrten Massen knapp bemessenen Saal beschrieb mein Schwiegervater so: „Man könnte sämtliche Einwohner deiner Heimatstadt Stralsund zusammennehmen und es wäre nicht so ein Lärm!“ Für meine Schwiegermutter hingegen sind die Feiern vor allem die perfekte Gelegenheit, um mit ihrem Enkel, also meinem Sohn, durch den Saal zu stolzieren und Komplimente einzusammeln. Das freut mich immer sehr für den Kleinen, denn so wie in Israel macht ihm in Deutschland niemand Komplimente: „Wer ist der perfekte Mensch? Du bist der perfekte Mensch“, gilt hier als Standard.

Wenn sich dieses Kind nur nicht immer, wenn die riesige Schwiegerfamilie am Horizont auftaucht, sofort in so eine Verweigerungshaltung begeben würde. Ich verstehe ja seine anfängliche Verwirrtheit ob der vielen Menschen, mit denen er verwandt sein soll – auch ich landete anfangs oft in falschen Sälen und unterhielt mich angeregt mit Brauteltern, von denen ich dachte, dass wir sie kennen, bis mein Mann mich darüber aufklärte, dass unsere Familie nebenan feierte – aber manchmal wünschte ich mir schon, er könnte etwas weniger pikiert gucken. Es wirkt außerdem wenig herzlich, wenn er Annäherungsversuche seiner Tante mit einer gekonnten Drehung zu mir ausbremst und den Worten „Mama, nach Hause“ erstickt.

Manchmal kommt er mir schon sehr israelisch vor. Zum Beispiel, wenn er unter all den deutschen Kindern meiner Freunde mit Abstand der lauteste ist. Aber dann gehen wir wieder auf so eine israelische Feier und wenn dort die Musik startet und mein zweijähriger Sohn als einziger sofort, immer ein paar Millisekunden neben dem Takt, aber dafür voller Elan zu klatschen beginnt, erkenne ich den Deutschen in ihm. Haben Sie schon einmal das Publikum in der Schlager-Sendung Fernsehgarten gesehen? Wie es schweigend, aber enthusiastisch klatscht? Mein Sohn würde sich dort sehr wohlfühlen.

Auch so ein israelisches Phänomen: Auf den Feiern gibt’s Fotos auf Magneten für den Kühlschrank zu Hause – wir haben wenige, auf denen das Kind mal lacht (Bild: privat)
Auch so ein israelisches Phänomen: Auf den Feiern gibt’s Fotos auf Magneten für den Kühlschrank zu Hause – wir haben wenige, auf denen das Kind mal lacht (Bild: privat)

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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