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Eilat – ein Besuch in der südlichsten Stadt Israels

in Israel Zwischenzeilen/Reportagen

von Jennifer Bligh

Die meisten Israelis behaupten etwas abschätzig, dass Eilat keine schöne Stadt sei. Dabei ist die Wüstenstadt am Roten Meer einer der Hauptmagnete für einheimischen Tourismus und die Eilatis fühlen sich als Zentrum von Israel. So schlimm kann es um den südlichsten Zipfel Israels also nicht bestellt sein. Ein Besuch vor Ort:  

Wer die lange Route 90 durch die Wüste gefahren ist und in Eilat ankommt, fühlt sich von der falschen Stadt willkommen geheissen – optisch fängt das jordanische Aquaba auf der linken Seite der Schnellstrasse etwas vor Eilat an. Eilat, und das kann man wirklich so einfach sagen, liegt rechts von der Strasse und geht geradeaus bis zum Strand. Etwas weiter südlich ist Ägypten, links auf der anderen Seite Saudi-Arabien. Die Grenzen des südlichsten Zipfel Israels sind für Neuankömmlinge gar nicht so einfach auszumachen – die vier Länder haben wie Badegäste ihre Handtücher rund um das Rote Meer ausgebreitet.

Eilats Skyline aus Hotelburgen, links Jordanien, geradeaus Ägypten (Foto: Bligh)
Eilats Skyline aus Hotelburgen, links Jordanien, geradeaus Ägypten (Foto: Bligh)

 

Insgesamt leben 60.000 Menschen in Eilat – aber nicht permanent, die Touristenhochburg bietet vielen Teilzeit-Israelis ein zweites Heim, was das städtische Flair, um es elegant zu beschreiben, etwas begrenzt. Ganze Wohnhäuser pflanzen sich verschlossen wie moderne Dornröschen-Paläste vor Besuchern auf. Eine andere, fragewürdige Bau-Ansiedlung sind die hässlichen Hochhäuser, die Ankommenden von der Ovda-Strasse den Blick zum Roten Meer versperren. Die Sicht aus den Wohnungen ist mit Sicherheit grandios, doch wer auf der Bergkuppe mit der Wüste im Rücken auf das Meer sehen will, muss zwischen den Wohnblöcken hindurch schielen.

Es ist ein gutes Beispiel: Eilat ist weder für besonders interessante Architektur bekannt, noch für eine ausgefeilte Städteplanung. Aber das Rote Meer, die Berge und die Mentalität der Eilatis machen viel wett. Gründe, sich in der Wüstenstadt niederzulassen, gibt es also – allerdings offenbaren die sich aber wohl erst auf den zweiten Blick.

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Hotelburgen in Eilat – wie Las Vegas ohne Kasinos (Foto: Bligh)

 

Die Mentalität

Alte Hasen in Eilat, wie der Schweizer Alfonso Nussbaumer schwärmen über das Eilat der 1960er Jahre: „Man lebte einfach mehr und rannte weniger“, erinnert er sich. Die Menschen hatten Zeit, hatten die Mentalität der Beatniks, das Miteinander war weniger auf der Überholspur, die Korallen waren farbenfroh und der Anteil der Schweizer war mit 30 000 Besuchern und Bewohnern übers Jahr verteilt so hoch, dass der Konsul in Tel Aviv zustimmte, in Eilat das Honorarkonsulat von Nussbaumer zu gründen. „Ich bin seit jeher Alfonso, der Schwitzari, der sich kümmert“, erzählt der 74-Jährige in einem eleganten Cafe an der Strandpromenade. Mit einer ausladenden Handbewegung zeigt er, bis wohin früher der Strand gegangen ist – oder anders ausgedrückt, wo früher die Strandpromenade endete. Man konnte damals etwa ein Drittel so weit flanieren.

Der Schweizer Honorarkonsul Alfonso Nussbaumer 'Alfonso, der Schwitzari" an der Strandpromenade (Foto: Bligh)
Der Schweizer Honorarkonsul Alfonso Nussbaumer ‚Alfonso, der Schwitzari“
an der Strandpromenade (Foto: Bligh)

Das kleine, beschauliche Eilat war ein Paradies für Taucher und Naturliebhaber. Zu Nussbaumers Unterwasserhochzeit mit seiner Frau schulterten über 200 Besucher ihre Sauerstoffflaschen und schwammen bis zum Meeresgrund. Auch heute noch ist Tauchen einer der Hauptattraktionen: mit Delphinen, zu Schiffswracks, zu den (verbliebenen) Korallen.

Auch die deutsche Honorarkonsulin Barbara Pfeffer hat sich vor vielen Jahren in das Meer, die Berge, das Licht und das Wetter verliebt. „Diese Kombination begeistert mich bis heute und hält mich hier“, erklärt Pfeffer und denkt gerne an damals, als Eilat noch nicht zum glitzernden Wüsten-Las-Vegas ohne Kasinos verbaut worden war. Natürlich wäre es ebenfalls attraktiv in Tel Aviv zu leben, so die gebürtige Bensbergerin aus der Nähe von Köln. Aber. Genau dieses Aber scheint viele alteingesessene Zugezogene in Eilat zu halten.

Shanti, shanti und das liebe Geld

Es ist beispielsweise – bei aller Hitze und damit sind über 40 Grad an einem Sommertag gemeint – nicht schwül. Das Meer und die Berge sind eine einmalige Kombination. Seit der Aufhebung der Mehrwertsteuer 1985 ist die Wirtschaft, also in anderen Worten die Tourismusindustrie und der Hafenbetrieb, angekurbelt. 60% der Eilatis leben von Urlaubern, und rund um den Hafen warten tausende, weisse, importierte Autos auf den Weitertransport bis nach Europa.

Nur habe sich in diesem Sommer die Touristensaison wegen des Krieges leider um einen Monat nach hinten verschoben, sagt Avi Kandelker. Genaue Zahlen will der Tourismus-Chef nicht bekannt geben. Die von ihm angedeuteten zehn Prozent wirken im Vergleich zum offiziellen 30%igen Einbruch in der Tourismus-Saison 2014 allerdings viel zu niedrig.

Alfonso Nussbaumer geht auch eher von mindestens 30% aus, eher mehr. Doch nun, ab Herbst, würden ja wieder die russischen Touristen kommen. „Dann geht es hochher am Flughafen“, so Nussbaumer. Ankommende Passagiere könnten theoretisch im wahrsten Sinne des Wortes genau einmal umfallen und wären am Strand. Der Flughafen in Eilat liegt mitten in der Stadt. „Wir bauen einen neuen Flughafen, das dauert aber noch einige Jahre“, beteuert Avi Kandelker. Die Pläne klingen beeindruckend: Der neue Flughafen ist etwas ausserhalb, soll mit einer Trambahn verbunden werden und international anfliegbar werden. Über 2000 zusätzliche Hotelzimmer, Wohnungen und Gewerbe sollen entstehen. Genaue Zahlen stehen derzeit allerdings genauso wenig zur Verfügung wie ein verlässlicher Zeitplan oder die Finanzierung. „Hier geht alles etwas langsamer“, sagt Alfonso Nussbaumer augenzwinkernd. Er hoffe nur, dass der wirtschaftliche Aufstieg von Eilat nicht in der Zwischenzeit durch das aufblühende Tourismuskonzept im direkt benachbarten Aquaba in Jordanien zu erliegen kommt. Denn auf der jordanischen Seite haben sich in den letzten Jahren nicht nur namhafte Hotels, wie Mövenpick und Kempinski angesiedelt, auch renommierte Reiseveranstalter haben erste Niederlassungen eröffnet.

Studieren im Süden

Der Campus der Ben Gurion Universität in der Negev residiert in voller Blüte, sowohl sprichwörtlich, als auch im wahrsten Sinne des Wortes, auf einem Hügel über Eilat: Die Dekanin, Professor Miriam Amit, kann gar nicht genug von ihrer kleinen Uni schwärmen. Seit sie vor fünf Jahren ihre Stelle in Eilat angetreten ist, hat die Mathematik-Professorin nicht nur etliche neue Studiengänge eingeführt und ausgebaut, sie hat auch ein einzigartiges Stipendiensystem geschaffen: Wer in Eilat studiert und vier Stunden pro Woche in einer Hilfsorganisation arbeitet oder sich sozial engagiert, wird komplett von den Studiengebühren befreit. „Eilat ist abgelegen, daher müssen wir besondere Anreize schaffen“, erzählt die Powerfrau Amit. Bekannte Gastprofessoren, aktuelle Studiengänge, ein richtiges Campus-Gefühl zwischen Wüste und Meer. Insgesamt studieren 1300 Studenten in Voll- und Teilzeit für ihren BA, MA und PhD. Eines der beliebtesten Fächer in Eilat ist Meeresbiologie, sowie Tourismus und Hotelmanagement.

Neu ist die Zusammenarbeit mit der Schweizer Hotelfachschule Lausanne: Die Kombination aus akademischer und nicht akademischer Ausbildung soll ab dem nächsten Ausbildungsjahr durch Austauschstudenten für ein Semester fruchtbar gemacht werden.

Das Hauptgebäude der Ben Gurion Universität Eilat (Foto: Bligh)
Das Hauptgebäude der Ben Gurion Universität Eilat (Foto: Bligh)

 

Liebe auf den zweiten Blick

Was ist es also, das Eilat so lebenswert macht? Beispielsweise, dass selbst bei starkem Verkehr kein Stau entsteht, weil überall Verkehrskreisel gebaut wurden, sich die Eilatis seit Generationen kennen und die Gemeinschaft stark ist. Man kümmert sich. Das israelische Zipfelchen ist auf jeden Fall mehr als ein Las Vegas ohne Spielkasinos und eine Touristenhochburg, deren Silhouetten die ganze Stadt dominieren. Um das Liebenswerte an Eilat für sich zu entdecken, braucht man aber Muse, auf die man sich im Zweifel am Strand vor und nach dem Tauchgang einstimmen kann.

Shanti Shanti und ein unbezahlbarer Blick in den Süden (Foto: Bligh)
Shanti Shanti und ein unbezahlbarer Blick in den Süden (Foto: Bligh)

 

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