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Dating in der religiösen Welt: Das perfekte Match

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Von Rebecca Steiner

Vielleicht haben Sie auch schon einmal die Fernsehserie „Shtisel“ auf Netflix gesehen? Wo sich die Junggesellen der Familie immer und immer wieder auf Vermittlung der Eltern und Heiratsvermittler mit neuen Kandidaten in dem Restaurant eines Hotels oder für einen Spaziergang treffen? Und vielleicht haben sie sich gefragt: Verabreden sich jüdisch-orthodoxe Menschen wirklich so? Finden die Eltern einfach einen Mann und eine Frau und schicken sie los, um ein gemeinsames Leben zu beginnen?

Dating, den oder die richtige zu finden, ist überall kompliziert. Für religiöse Juden ist diese Angelegenheit eine besondere Herausforderung. Sie suchen den perfekten „Shidduch“.
Als „Shidduch“ bezeichnet man normalerweise ein Match, jemanden, mit dem man verkuppelt wurde oder mit dem man ausgeht. Die Wurzel des Wortes ist das aramäische Wort „shadach“, das „sich niederlassen“ oder „beilegen“ bedeutet. Normalerweise ist damit im Judentum gemeint, dass Menschen ihre Differenzen „beilegen“ müssen, bevor sie heiraten.

Bei Shidduchim geht es ausschliesslich ums Heiraten

Der Zweck von Shidduchim (Plural von Shidduch) ist ausschliesslich die Heirat. Es gibt fast immer einen Mittelsmann oder eine Mittelsfrau, einen Heiratsvermittler, auch „shadchan“ oder „shadchanit“ für Frauen genannt, der die Vermittlung koordiniert, sich um die Kommunikation kümmert und in der Regel eine Menge Überprüfungen und Nachforschungen anstellt, bevor er eine Verbindung zwischen zwei Menschen herstellt. Manche Singles haben nur einen Vermittler, andere haben mehrere. Manchmal fungieren auch Freunde als Partnervermittler. Einige Shadchans sind professionelle Heiratsvermittler, die sich hauptberuflich mit der Vermittlung von Partnerschaften beschäftigen und dafür bezahlt werden, während andere das Vermitteln von Menschen als Hobby betreiben. Manche Heiratsvermittler sind auf Englisch oder andere Sprachen spezialisiert, während andere sich auf auf bestimmte Untergruppen des orthodoxen Judentums wie Chabad oder Breslov konzentrieren.

Manche Menschen heiraten bereits nach wenigen Verabredungen nachdem ein Shidduch hergestellt wurde, während es bei anderen einige Monate dauert. Das hängt davon ab, aus welcher Gemeinschaft sie kommen und welche persönlichen Bedürfnisse sie haben. Bei den meisten Menschen, die einen Shidduch suchen, ist es sehr üblich, dass sie „shomer negia“ sind, was übersetzt so viel heisst wie „auf Berührung achtend“ – das bedeutet, dass die Menschen sich oft verloben, ohne sich auch nur einmal berührt zu haben.

Daten ja – aber erst nach Gentest

In der ultraorthodoxen Shidduch-Welt ist es nicht unüblich, sich erst dann zu einem Date zu verabreden, wenn man den Dor Yeshorim-Gentest bestanden hat, um festzustellen, ob ein erbliches Krankheitsrisiko besteht. Das liegt daran, dass viele ultraorthodoxe Gemeinschaften nur innerhalb ihrer Gruppe heiraten und es deshalb eine geringe genetische Variabilität gibt, die wiederum die Wahrscheinlichkeit für Erkrankungen beim Nachwuchs erhöht.

Bevor man einen Shidduch vermittelt bekommt, muss man in der Regel einen Lebenslauf vorlegen, in dem man seinen Hintergrund und seine Wünsche erläutert und ein oder zwei Fotos beifügt. Meist legen die Kandidaten auch Referenzen bei, sei es ein Rabbiner oder ein Mentor, und bevor sich jemand meldet, checkt der Vermittler zuerst bei ihm nach. Es gibt Begriffe, mit denen man sich in diesen Lebensläufen selbst beschreibt, z. B. „FFB“, was für „frum from birth“ (von Geburt an religiös) steht und auf jemanden zutrifft, der religiös erzogen wurde, während „BT“ (Baal Teshuva) sich auf jemanden bezieht, der erst später im Leben religiös wurde. Manche Menschen ziehen es vor, sich nur innerhalb ihrer angestammten religiösen Gemeinschaft zu verabreden, während andere auch bereit sind, jemandem aus einer anderen Untergruppe zu treffen.

Ein „klassisches“ erstes Date zweier religiöser Juden: Ein gemeinsamer Spaziergang am Meer, ohne Händchenhalten natürlich (Bild: KHC).

Dann gibt es noch die persönlichen Vorlieben der Menschen, manche suchen Partner, die einen Job haben, andere wiederum wollen nur mit Menschen ausgehen, die den grössten Teil des Tages Torastudien betreiben. Es gibt Leute, die sich nur mit grossen Menschen verabreden, andere nur mit kleinen.

Erst wenn der Mann ja sagt, gibt es ein Match

Während bei weltlichen Dating-Apps wie Tinder beide Kandidaten „ja“ swipen müssen, um einen Match zu haben, ist es bei Shidduchim üblich, dass der Mann zunächst einem vorgeschlagenen Match zustimmt, und erst nachdem der Mann bereits Ja gesagt hat, wird die Frau gefragt, ob sie interessiert sei.

Man muss nicht religiös sein, um am Shidduch-System teilzunehmen. Die Shadchanit Shoshana aus Efrat, die seit über 30 Jahren Leute vermittelt, arbeitet mit allen und jedem zusammen. Sie und ihr Mann haben im Laufe der Jahre mindestens 40 Paare zusammengebracht. Bevor sie jemanden verkuppelt, stellt sie ihm Fragen zu seinen Wünschen und Persönlichkeitsmerkmalen.

Ich habe Shoshana gefragt, was sich in den letzten 30 Jahren geändert hat, seit sie angefangen hat, Leute zu verkuppeln, und sie antwortete, dass „die Leute damals keine Bilder gesehen haben, sie hatten keine Profile, wir hatten lediglich Notizen, die wir dann weitergegeben haben“, erzählt sie, „das war eigentlich viel besser… wenn sie die Person nicht vorher sehen, geben sie ihr tatsächlich eine Chance – unabhängig vom Äusseren.“ Heutzutage gibt es Apps und Websites wie sawyouatsinai.com, die Singles online mit Shadchanim zusammenbringen.

Am Ende die Hochzeit: Religiöse Juden daten ausschliesslich mit diesem Ziel (Bild: Davidbena/Wikimedia Commons)

Shoshana sieht sich und ihren Mann als „Repräsentanten“ der Singles, die sie zu verkuppeln versuchen, und hat von jedem ihrer Kandidaten einen kleinen Bericht in ihrer eigenen Datenbank. Sie ist Mitglied in mehreren Gruppen, unter anderem auf WhatsApp, wo sie mit anderen Vermittlern in Kontakt tritt. „Ich habe diese Intuition entwickelt, ich sehe mir die Bilder an und spüre, wenn es ein perfektes Match ist.“ Nach unserem Gespräch sagt mir Shoshana übrigens, sie habe „den perfekten Mann für mich“. Ich bedanke mich bei ihr und sage ihr, ich würde darüber nachdenken und sie dann zurückrufen.

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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