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Studie: Coronakrise treibt mehr als 42.000 Familien in Armut

in Israel Zwischenzeilen/Leben, Kultur & Sport

Es sind erschreckende Zahlen die eine Berechnung des Nationalen Versicherungsinstituts (NII) Bituach Leumi offenlegt: Etwa 711.000 Familien im Land (insgesamt 2,4 Millionen Menschen) haben durch die Coronavirus Pandemie finanzielle Schäden erlitten. Konkret heißt dass, dass etwa 42.500 israelische Familien in den letzten Monaten unter die Armutsgrenze gerutscht sind, etwa 110.000 Familien sind dieser gefährlich nahe gekommen. Betroffen davon ist vor allem die Mittelschicht, Familien in denen Selbstständige leben oder diejenigen, in denen beide Eltern arbeiten gehen.

Daniel Gottlieb, stellvertretender Generaldirektor des Bereiches Recherche beim NII, schätzt, dass rund 67.000 Haushalte direkt aus der Mittelschicht an die Armutsgrenze oder darunter gefallen sind. Konkret haben die Folgen der Coronakrise für israelische Familien im Durchschnitt Einbußen in Höhe von 3,600 US-Dollar im Jahresgehalt verursacht. In Familien mit Selbstständigen ist die Armutsrate um 20 Prozent angestiegen. Auch Israelis unter 29 und alleinerziehende Mütter sind besonders von der Verarmung betroffen.

„Diese wirtschaftlichen Rückschläge sind im Moment temporär“, erklärt Gottlieb, „Aber sie hinterlassen Spuren bezüglich des materialistischen Lebensstandards und auf die mentale Gesundheit.“ Staatshilfen müssten vor allem dafür sorgen, dass diese „neue Armut“ temporär bleibt und sich nicht fortsetzt. Gottlieb kritisiert, dass die Staatshilfen zu breitflächig verteilt wurden und dabei zu wenig darauf geachtet wurde, wer tatsächlich finanzielle Einbußen durch die Coronakrise hatte. Er warnt außerdem vor dem anwachsenden Defizit des NII: „In diesem Jahr wird aus dem versicherungsmathematischen Defizit erstmals ein konkretes. Ohne einen Plan, wie sich die Sozialversicherung nachhaltig erholen kann, wird sich die Zukunft der sozialen Sicherheit für junge und mittelaltrige Menschen in absolute Unsicherheit, oder Schlimmeres, verlagern.“

Ein obdachloser Mann in Tel Aviv: Seit der Coronakrise sieht man mehr Obdachlose in den Straßen als zuvor (Bild: KHC).

Weitere Informationen:

Viele israelische Familien sind durch Corona verarmt (eng), Haaretz

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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