MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Kolumne: Das Elternsein in den Zeiten der Corona

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Ich liebe meine Kinder. Aber ich liebe auch den Moment, an dem ich sie morgens in der Kita abgebe, wo ich sie in sehr guten Händen weiss, um mich dann an meine Arbeit zu machen. Eine Arbeit, die ich nicht machen kann, wenn die Kinder um mich herumlaufen. Um zu schreiben, brauche ich Ruhe und ein gewisses Mass an Einsamkeit. Ich muss manchmal einfach zehn Minuten in die Luft starren können, bevor ich dann vier Stunden durchschreibe und nicht einmal auf Toilette gehe, wenn ich muss.

Seitdem bei uns in Tel Aviv alle Kitas geschlossen haben, alle Cafés, alle Museen, seitdem wir angehalten sind, nur noch das Haus zu verlassen, wenn unbedingt nötig und Kontakt mit anderen Menschen zu meiden, sind meine Kinder quasi wieder Teil meines Körpers. Nur dass sie jetzt nicht mehr in meinem Bauch still und leise vor sich hinwachsen, sondern laut krakeelend um mich herumspringen. Die GANZE ZEIT. Aber ich verstehe, dass diese Corona-Krise eine Ausnahmesituation ist, bei der wir jetzt alle in den sauren Apfel beissen müssen. Denn mittlerweile sollte auch der letzte Hedonist kapiert haben, dass wir die Corona-Krise nur dann bewältigen können, wenn wir die hohe Ansteckungsrate stoppen. Und immerhin habe ich das grosse Glück nicht in einer Branche zu arbeiten (Stichwort Tourismus), in der gerade alles wegbricht und Massenentlassungen ganze Existenzen zerstören.

Bis gestern hatte ich auch das Glück, dass mein Mann im Home Office war. Heute hat ihm seine Firma, ein staatliches Unternehmen absurderweise, mitgeteilt, dass alle wieder in die Büros müssen. Corona geht weiter um, die Ansteckungsgefahr in klimatisierten Büros sollte recht hoch sein, die Kinder haben bis nach Pessach keine Kita, aber die Leute sollen wieder zur Arbeit? Wie soll das denn bitte gehen? Bis gestern (Mann noch im Home Office) hatten wir einen elaborierten Plan. Ein Vormittag arbeite ich und er macht die „Zuhause-Kita“, wie wir es genannt haben, einen Vormittag er. Nachmittage wollten wir ebenfalls abwechseln. So könnte jeder von uns immer einen halben Tag arbeiten und die Kinder sind trotzdem gut versorgt. Wir haben einen Stundenplan gebaut, ein Mittagsmenü, Themen zusammengestellt, die wir in der täglichen „Lernstunde“ mit den Kindern besprechen wollen. Wir haben uns kleine „Kurse“ überlegt, Yoga, Fussball, Backen und Städte der Welt und sogar einige Aktivitäten ausserhalb des Hauses gefunden, die wir selbst in Corona-Zeiten machen können (Park, Strand, Fahrradfahren). Wir hatten hohe Ambitionen, bloss nicht zuviel Fernsehen (unsere Kinder dürfen in „normalen“ Zeiten nur ein Mal die Woche vor die Mattscheibe). Jetzt soll mein Mann wieder zur Arbeit.

„Zuhause-Kita“ – ein ambitionierter Plan, den wir wohl nicht durchhalten können (Bild: KHC).

Ich bin selbstständig und wenn ich nicht schreibe, verdiene ich schlichtweg kein Geld. Die Grosseltern können nicht helfen, da sie in die Corona-Risikogruppen fallen und ich nicht möchte, dass sie das Haus verlassen. Einen Babysitter zusätzlich zu den Kita-Kosten zu bezahlen (die wir trotzdem haben, auch wenn die Kita nun geschlossen ist – immerhin knapp 1200 Euro pro Monat – welcome to Israel), ist eigentlich nicht denkbar. Ich bin sehr ambitioniert und wahrscheinlich werde ich unseren „Zuhause-Kita-Stundenplan“ noch ein paar Tage sehr akribisch einhalten. Ich werde kochen und die Wohnung putzen (vor allem erstes hasse ich, für zweiteres habe ich eigentlich eine Putzfrau, die ich weiter bezahle, aber auch nicht mehr aus dem Haus zwingen möchte). In spätestens einer Woche aber werde ich eine Stunde Fernsehen am Tag hinzufügen müssen, um überhaupt noch irgendwie arbeiten zu können. In zwei Wochen werden es dann zwei sein. Zum Kochen werde ich nicht mehr kommen. Mein Mann wird derweil mit seiner Firma um das Home Office streiten, aber natürlich nur so sehr, wie er streiten kann – ohne seinen Job zu verlieren, von dem wir in diesen Zeiten froh sind, dass er ihn hat (ein Corona-resistenter Job nämlich). Die Kinder werden Fertigessen futtern, Fernsehen gucken und wenig lernen. Wir werden uns aufs Überleben konzentrieren und darauf, nicht wahnsinnig zu werden. Das Elternsein in den Zeiten der Corona eben.

Immerhin leben wir am Meer und haben meist gutes Wetter – auf Spielplätze gehen wir allerdings nicht mehr (Bild: KHC).

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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