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Zwei Frauen aus Be’eri kämpfen um ein neues Zuhause

in Israel Zwischenzeilen/Leben, Kultur & Sport

Am Morgen des 7. Oktobers 2023 wurden Adi Weiss (39) und Bar Karbona (34) von Raketenhagel und Sirenen geweckt. „Uns wurde klar, dass etwas sehr Ungewöhnliches vor sich ging“, erinnert sich Bar, die mit ihrem Partner Tom und ihrem kleinen Sohn Albi, der noch nicht einmal ein Jahr alt war, im Schutzraum Zuflucht suchte. Zur gleichen Zeit suchte auch Adi mit ihren drei Kindern Zuflucht in ihrem Schutzraum, während ihr Partner Yuval als Teil der Hilfstruppe des Kibbuz hinausstürmte, um die Terroristen zu bekämpfen.
Stundenlang waren beide Frauen in ihren Bunkern ohne Nahrung, Wasser oder Strom gefangen, während Hamas-Terroristen versuchten, ihre Türen aufzubrechen. Am Ende dieses schrecklichen Tages wurden sie gerettet, hatten aber verheerende Verluste erlitten: Bars Schwiegermutter Galit Karbona und Adis Schwiegervater und Schwager Mati und Amir Weiss wurden brutal ermordet.

Als die beiden Frauen in dieser Nacht flohen und durch die Ruinen des Kibbuz liefen, wurde ihnen bereits klar: „Wir erkannten, dass wir nirgendwo mehr hin konnten.“ Zusammen mit den übrigen Kibbuz-Mitgliedern, die nicht ermordet oder entführt worden waren, wurden sie an das Tote Meer evakuiert. „Innerhalb einer Woche wurde uns klar, dass wir kein Zuhause mehr hatten und dass wir einen vorübergehenden Ort finden mussten, an dem wir und unsere Gemeinschaft leben konnten“, sagt Adi. „Wir wussten noch nicht, wer entführt oder getötet worden war, und keiner von uns hatte seine Angehörigen beerdigt, aber wir wussten, dass wir handeln mussten“, fügt Bar hinzu.

Bar, von Beruf Architektin, und Adi, Projektmanagerin im Planungsbereich, waren keine Freundinnen und kannten sich kaum. Im Hotel verband sie ein, wie sie es nennen, „gemeinsames Schicksal“, und sie schlossen sich für eine Mission zusammen: ein neues Zuhause für ihre Gemeinschaft zu finden. Heute, nachdem sie das Projekt (unter der Leitung von Yasky Architects) erfolgreich abgeschlossen haben und die Bewohner in ihre neuen Häuser eingezogen sind, erzählen sie ihre Geschichte und die ihres neuen Lebensraums in der Zeitung Ynet.

Eine neue Heimat in der Nähe von Beersheva

Nach mehreren Gesprächsrunden stellten sie fest, dass der Kibbuz Hatzerim in der Nähe von Beer Sheva bereits mit der Arbeit an einem neuen Stadtviertel begonnen hatte. Adi erinnert sich: „Von diesem Moment an waren wir, ohne es zu planen oder zu beabsichtigen, in das Projekt unseres Lebens vertieft. All unsere Erfahrungen und die geknüpften Kontakte führten uns an diesen Punkt – unseren „provisorischen Kibbuz“ in Hatzerim zu planen und mit der Wiederherstellung unseres geliebten und schönen Be’eri zu beginnen, das vollständig zerstört worden war.“

„Wir haben daran gearbeitet, die Häuser, die Lebensbedingungen und die Nachbarschaft zu verbessern, öffentliche Gebäude zu optimieren und die Lebensqualität zu erhöhen“, erklären sie. Adi und Bar bestanden unter anderem auf dem Bau einer Zahnklinik, wie es sie in ihrem Kibbuz gegeben hatte, in dem fünf Menschen ermordet worden waren.
Sie hatten auch Einfluss auf die Grösse der Häuser, die Innenausstattung, die Aussenbereiche, zusätzliche Rasenflächen und planten sogar einen Gemeinschaftsgarten. „Wir wollten uns so heimisch wie möglich fühlen“, erklärt Adi, „und einen Ort für Zusammenkünfte, Veranstaltungen oder einfach nur für einen gemeinsamen Kaffee haben.“ Bar fügt hinzu: „Wir haben es geschafft, hier ein Gefühl von Zuhause zu schaffen. Nach einem Jahr im Hotel haben wir auf diesen Moment gewartet. Das ist es, wonach wir gesucht haben. Es ist zwar nicht Be’eri, aber es ist der Ort, den wir uns vorgestellt haben, um nach vorne zu schauen, rein emotional gesehen.“

Adi erzählt: „Langsam aber sicher nahm ein Stadtviertel Gestalt an, und plötzlich fuhren unsere Kinder wieder mit dem Fahrrad auf dem Bürgersteig, und Familien machten Picknick auf der Wiese. Es ist so bewegend, dass es einem die Tränen in die Augen treibt.“ Sie kommen zu dem Schluss: „Jetzt, da sich das Viertel stabilisiert hat und alle Bewohner in ihre Häuser eingezogen sind, ist es an der Zeit, mit dem Wiederaufbau von Be’eri zu beginnen. Der eigentliche Wiederaufbau kann erst beginnen, wenn alle Geiseln nach Hause zurückgekehrt sind.“

Adi Weiss und Bar Karbona zeigen die Pläne für das neue Viertel für Überlebende aus dem Kibbuz Beeri (Bild: Meir Even Haim/Ynet).

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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