MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

83-Jähriger Israeli findet Familie durch Gentest

in Israel Zwischenzeilen/Medizin & Wissenschaft

Alles was von Schalom Korais Ursprüngen bekannt ist, beginnt mit ihm allein. 1943 griff ihn ein Polizist auf einer Strasse im brennenden jüdischen Ghetto in Warschau auf und brachte den Jungen in ein Kloster. Nonnen tauften ihn und begannen, ihn zusammen mit mehreren anderen Waisenkindern als Christen aufzuziehen. Dann kam Lena Küchler-Silberman. Eine Jüdin, die am Widerstand gegen die Nazis beteiligt war und von den jüdischen Kindern gehört hatte. Sie rettete etwa 100 von ihnen, für manche musste sie bezahlen, um sie aus nichtjüdischen Waisenhäusern zu holen. Schalom wurde so erst in ein jüdisches Internat in Polen gebracht, dann nach Frankreich und kam schliesslich 1949 nach Israel. Dort bekam er drei Kinder und acht Enkelkinder, und verdrängte sein Leben lang, dass er nie seinen tatsächlichen Geburtstag, den Namen, den man ihm bei der Geburt gegeben hatte, oder auch nur irgendetwas über seine Eltern erfahren würde.

Bis das Unternehmen MyHeritage Korai und anderen Holocaust-Waisen im Sommer 2023 DNA-Tests anbot, um ihren Biografien auf die Spuren zu kommen. Schalom spuckte in ein Röhrchen und einige Monate später bekam Ann Meddin Hellman in South-Carolina eine e-Mail:

„Wir haben einen unbekannten Cousin zweiten Grades von dir gefunden.“

Der Name des Mannes war ihr nicht bekannt. Sie bat einen weiteren Cousin, ebenfalls seine DNA zu testen. Auch die stimmte mit dem Unbekannten überein. Hellman wandte sich an MyHeritage und forderte ein Foto und weitere Informationen an. Sie erinnert sich, dass sie zusammenzuckte, als sie Korai sah. Er sah genauso aus wie ihr Bruder.

Hellmann zeigt ihrem Grosscousin in Israel ein Foto des Bruders: Die Ähnlichkeit ist frappierend. (Bild: MyHeritage)

Die Verbindung war sofort klar. Hellman wusste, dass ein Teil ihrer Familie, der mit ihrem Grossonkel verbunden war, während des Holocausts getötet wurde. Jetzt wusste sie, dass es einen Überlebenden gab. Vor einigen Tagen landete Schalom Korai, der Waisenjunge aus dem brennenden jüdischen Ghetto in Warschau in South Carolina, USA.

Mehr als ein Dutzend weiterer Verwandter – Hellmans Bruder und Schwester, ihr Ehemann und ihre Söhne, eine Nichte, eine Schwägerin und Cousins und Cousinen – empfingen ihn am Flughafen. Dutzende weitere warteten bereits in Hellmans Haus, um eine grosse Party gemeinsam zu feiern. Schalom Korai weiss immer noch nicht, mit welchem Namen er geboren wurde. Aber wie es klingt wenn die amerikanische Grossfamilie seinen Namen ruft, das weiss er nun.

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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