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Weitere Gespräche für Waffenstillstand

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Die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas gehen in dieser Woche in Katar in eine weitere Runde, nachdem eine israelische Delegation unter der Leitung von Mossad-Chef David Barnea in Doha eingetroffen ist. Zu Beginn der Gespräche erklärte ein israelischer Beamter gegenüber der Times of Israel jedoch, man sei „überhaupt nicht optimistisch“.

Währenddessen steigt die Kritik an der Art, wie die israelische Regierung die Verhandlungen führt. Selbst in den Reihen des sogenannten „Kriegskabinetts“, das nach dem 7. Oktober mit gemässigteren Parteien, die nicht in der aktuellen Regierung sitzen, zusammengestellt wurde, wird der Unmut immer grösser. Mehrere Vertreter, darunter der Verteidigungsminister, hatten in den letzten Tagen den Premierminister und seine Koalitionspartner direkt und indirekt für die Verzögerung der Verhandlungen kritisiert.

Die Hamas hatte kürzlich ihre relativ harten Bedingungen für die Freilassung von festgehaltenen jungen weiblichen Soldatinnen vorgelegt. Dass die Frauen als erstes freigelassen werden, wollen fast alle Beteiligten in Israel, gerade weil aus vielen Zeugenberichten deutlich geworden ist, unter welcher sexuellen Gewalt gerade die jungen Soldatinnen leiden. Die Hamas fordert, dass für jede einzelne Soldatin 50 wegen schwerer Straftaten verurteilte Gefangene freigelassen werden. Diese Forderung stösst aber auf heftigen Widerstand bei den rechtsextremen Koalitionsparteien. Ein Abkommen mit der Hamas gefährdet also die Macht des Premierministers – Analysten zufolge ist das der Hauptgrund für die Verzögerungen beim Zustandekommen eines Waffenstillstands.

Gleichzeitig berichtet der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, dass es natürlich sofort zu einer Einigung kommen könnte, wenn die Hamas der Freilassung von etwa 40 weiblichen, älteren und verwundeten israelischen Geiseln zustimmen würde. Stattdessen hätte die Terrororganisation aber „einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, in dem sie eine Reihe weiterer Bedingungen gestellt hat… Die israelische Regierung hat daraufhin gesagt, dass sie das nicht einfach akzeptieren kann. Sie ist der Ansicht, dass einige dieser Bedingungen zu weit gehen, aber genau darum geht es bei Verhandlungen.“

Währenddessen zögert die israelische Gesellschaft, sich in grossen Mengen an den wöchentlichen Protesten für die Rückkehr der Geiseln zu beteiligen. Die Gründe dafür sind sicher vielfältig und können vor allem in einer Trauma-bedingten Erschöpfung gefunden werden – der Druck, ein Abkommen zu erzielen, steigt so aber leider nicht.

Leidtragende sind die Angehörigen der immer noch mehr als 100 Israelis, die in Gaza gefangen gehalten werden. Allein in den letzten Tagen hatten sich mehrere Mütter von jungen entführten Frauen zu Wort gemeldet: „Als Mutter stehe ich diesen Momenten des Schreckens und des Terrors machtlos gegenüber, und ich weiss, dass alle, insbesondere die vielen Mütter hier, das mit mir teilen. Ich bin eine Mutter und mein Herz ist erschüttert. Meine Tage und Nächte werden von der Abwesenheit von Naama heimgesucht. Ihre Albträume sind auch meine Albträume. Und ich spreche hier zu Ihnen, weil wir ihre Stimme sein müssen, die Stimme eines jungen Mädchens, das seit fünf Monaten von der Hamas festgehalten wird, verwundet, verletzt und geschändet. Keine Mutter, kein Elternteil sollte sich jemals diese Gefühle und diese Grausamkeit vorstellen müssen“, sagte Dr. Ayelet Levy Shachar, die Mutter der 19-Jährigen Naama Levy, kürzlich bei einer Rede zum Internationalen Frauentag in Tel Aviv.

Auch die Mutter der Gefangenen 19-Jährigen Agam Berger, Meirav Berger, meldete sich kürzlich in einem Post zu Wort: „Es sind mehr als zweihundertneunzehntausendeinhundertfünfzig Minuten vergangen, seit ich das letzte Mal mit meiner Tochter Agam gesprochen habe. Ja, ich zähle die Minuten. Nicht die Stunden, nicht die Tage, nicht die Wochen oder Monate. Minute für Minute befinden sich mein Körper und Geist in ständigem, unerträglichem Schmerz, während ich darauf warte, dass Agam, die am 7. Oktober brutal von Hamas-Terroristen entführt wurde, nach Hause zurückkehrt.“

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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