MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Das Ringen um die jüdisch-arabischen Beziehungen im Land

in Israel Zwischenzeilen/Leben, Kultur & Sport

In einem berührenden Artikel in der Zeitung Haaretz hat die Journalistin Rebecca Bardach den Umgang mit dem aktuellen Konflikt in der jüdisch-arabischen Schule ihrer Tochter beschrieben. Einer der Geiseln, der 23-Jährige Hersh Goldberg-Polin, ist ein enger Verwandter der Familie. „Alle sind traumatisiert. Und während sich alles hinzieht – die Geiseln; die Evakuierten; die Angriffe aus dem Gazastreifen, von der Hisbollah und den Houthis; die Angehörigen, die als Soldaten einberufen wurden; die Beerdigungen; der Tod und die Zerstörung im Gazastreifen; die Ungewissheit darüber, was ‚der Tag danach‘ überhaupt bedeutet und wann oder wie wir überhaupt dorthin gelangen werden – wandelt sich das Trauma, breitet sich aus, wächst und vertieft sich“, schreibt Bardach über die aktuelle Situation.

Die 12-Jährige Tochter geht in die Hand-in-Hand-Schule in Jerusalem. Dabei handelt es sich um eine zweisprachige, integrierte Schule, auf die gleichermassen jüdische wie arabische Kinder gehen. Eine Seltenheit in Israel, in der das Bildungssystem zwischen arabischen und jüdischen, aber auch zwischen jüdisch-säkularen und jüdisch-orthodoxen Schulen und Kindergärten klar getrennt ist. Das 1997 mit 50 Kindern gestartete Hand-in-Hand-Projekt zählt heute über 2.000 Schüler in sechs Hand in Hand-Schulen von Jerusalem bis Galiläa.

Hand in Hand-Schulen sind öffentliche Schulen, die vom israelischen Bildungsministerium anerkannt und beaufsichtigt werden und allen Teilen der arabischen und jüdischen Bevölkerung in Israel offen stehen. Die staatliche Finanzierung wird durch Spenden und Elternbeiträge ergänzt, die spezialisierte zweisprachige, multikulturelle Lehrpläne und Gemeinschaftsaktivitäten ermöglichen.

In die Hand-in-Hand-Schule in Jerusalem gehen sowohl jüdische als auch arabische Kinder (Foto: Webseite handinhandk12.org/)

Bardach beschreibt, dass die Herausforderung für die jüdisch-arabischen Beziehungen innerhalb der israelischen Gesellschaft „am stärksten in den Räumen zu spüren ist, die integriert sind“. So ist die Schulpsychologin in der Schule ihrer Tochter arabisch, als die Tochter mit ihr über den entführten Cousin spricht, bekommt sie, aber auch die Mutter viel Zuspruch von der Psychologin: „An diesem Abend wandte sich die Psychologin, die ich zuvor nie getroffen hatte, an mich: ‚Mein Herz ist bei Ihnen. Heute habe ich mit Ihrer Tochter gesprochen. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich in Gedanken bei Ihnen bin. Wenn Sie ein Gespräch wünschen, stehe ich zur Verfügung. Mein Herz ist mit Ihnen.’ Diese Worte haben mich noch Tage danach zu Tränen gerührt.

Und sie war nicht die Ausnahme. Auch andere arabische Kollegen, Miteltern und Freunde meldeten sich, um ihr Entsetzen und ihre Trauer über unseren Cousin zu bekunden. Ich weiss, dass es Menschen gibt, die das Gefühl haben, dass sich ihre Verbündeten aus anderen Religionen und Gemeinschaften in diesem Moment der Krise abwenden, aber das war nicht meine Erfahrung. Ich fühlte mich zutiefst gesehen. Ihr Mitgefühl war eine Umarmung, die echten Trost spendete.“

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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