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Arabische Städte in Israel: Gewalt außer Kontrolle

in Israel Zwischenzeilen/Leben, Kultur & Sport

Fast jeden Tag gibt es neue Horrormeldungen von Gewaltverbrechen in der arabischen Gesellschaft in Israel. 2023 sind bereits 188 arabische Israelis ermordet worden, im vorherigen Jahr sind im gleichen Zeitraum 80 Menschen getötet worden.

Ein Programm zur Verbrechensbekämpfung namens „Safe Track“ hatte im vergangenen Jahr erstmals die Zahl der Morde gesenkt, mit Übernahme der neuen Regierung wurde es jedoch abgeschafft. Das Hauptziel von Safe Track bestand darin, die Straftäter mit dem größten Einfluss auf die kriminelle Unterwelt zu ermitteln und vor Gericht zu bringen. Das Programm fokussierte dabei vor allem auf den finanziellen Bereich: Eine Arbeitsgruppe befasste sich mit der Unterwanderung von kriminellen Banden bei der Ausschreibung öffentlicher Projekte, eine andere mit „grauen“ und „schwarzen“ Geldverleihern und eine dritte mit Steuerhinterziehung und Geldwäsche, indem sie beispielsweise gefälschte Rechnungen und Finanzdienstleister aufspürte. Ein anderes Programm namens „Stop the Bleeding“ schuf neben erhöhter Polizeipräsenz und Kameraüberwachung, Rehabilitierungsmöglichkeit für junge Menschen, die die kriminelle Unterwelt verlassen wollten.

Viele der Mordfälle stehen im Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen. Experten sind sich aber auch darüber einig, dass der Hauptauslöser für Gewalt die große Verfügbarkeit von Waffen in arabischen Städten und Dörfern ist. Laut einem Bericht der Knesset aus dem Jahr 2020 sind in Israel etwa 400.000 illegale Schusswaffen im Umlauf, die meisten davon in arabischen Gemeinden. Viele der Waffen werden aus Jordanien und dem Westjordanland nach Israel geschmuggelt.

Die aktuelle Regierung hat jedoch nicht nur sämtliche Programme zur Bekämpfung von Gewalt in der arabischen Gemeinschaft gestoppt, sie hat auch bisher keinerlei Alternativen angeboten. Nachdem in der vergangenen Woche ein arabischer Mann in Haifa auf offener Straße am helllichten Tag in seinem Auto erschossen wurde, kam es einen Tag später in der Nähe von Nazareth zu einer Massenschießerei, bei der fünf Mitglieder einer beduinischen Familie gleichzeitig ermordet wurden. Das ist die neue Realität in arabischen Gemeinden im Land.

In arabischen Städten wie Umm-Al-Fahm geht die Angst um: Hilfe durch Programme zur Gewaltbekämpfung gibt es aktuell kaum (Bild: Moataz1997/Wikimedia Commons).

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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