Es war eine angekündigte Katastrophe: Wie schon zuvor in Deutschland, Kanada, Schweden und der Schweiz ist es nun auch in Israel zu gewalttätigen Protesten von eritreischen Flüchtlingen gekommen. Trotz mehrere Warnungen von Vertretern der Gemeinde sollte am vergangenen Wochenende eine Feierlichkeit in der Botschaft des Landes in Tel Aviv stattfinden – was folgte waren Proteste von Regierungsgegnern und -Befürwortern, die schnell in Gewalt umschlugen. Eritreer beider Seiten gingen mit Holzlatten, Metallstücken, Steinen und mindestens einer Axt aufeinander los und zogen durch den Süden von Tel Aviv, in dem viele Asylbewerber leben. Die Demonstranten zerschlugen Schaufenster und Polizeiautos. Über 150 Menschen wurden dabei verletzt, darunter etwa 15 schwer.
Man konnte diesen importierten Konflikt in den letzten Wochen und Monaten auch in vielen anderen Ländern bei der gewalttätigen Eskalation beobachten – viele Stimmen aus der eritreischen Gemeinschaft behaupten gar, die Gewalt werde durch Agenten der eritreischen Regierung im Ausland geschürt. Fakt ist: Die Situation der eritreischen Flüchtlinge in Israel ist schwierig. Etwa 18.000 von ihnen leben ohne Status, Rechte oder Gesundheitsversorgung im Land. Die meisten arbeiten illegal in einfachen Hilfsjobs. Israel hat bisher nur 1.000 Asylanträge von Eritreern vollständig geprüft. Weitere 6.000 Anträge wurden anhand veralteter Kriterien geprüft. Mehr als 8.000 Anträge wurden bisher überhaupt nicht geprüft.
Die gewalttätigen Proteste in Tel Aviv dienten vor allem der eritreischen Regierung, einer 1993 etablierten ein-Parteien-Diktatur, die weltweit bestreitet, dass Eritreern Flüchtlingsschutz zustehen sollte, obwohl im Land ein strenges Wehrdienst- und Zwangsarbeitssystem herrscht, vor dem viele Eritreer ins Ausland fliehen. Sie diente genauso den rechten Kräften in Israel, denen die grösste Flüchtlingsgruppe im Land schon seit langem ein Dorn im Auge sind. Die Eritreer waren vor allem zwischen den Jahren 2007 und 2012 in grossen Mengen über den Landweg nach Israel gekommen. Die Flüchtlingsströme rissen erst dann ab, als Israel einen Hochsicherheitszaun an der Grenze zu Ägypten errichtete.
Über 50 eritreische Asylbewerber, die verdächtigt werden, an den gewalttätigen Zusammenstössen in Tel Aviv am Wochenende beteiligt gewesen zu sein, wurden am Montag und Dienstag in Verwaltungshaft genommen, offenbar auf Geheiss des Ministers für nationale Sicherheit Itamar Ben Gvir. Die israelische Regierung droht nun, Teilnehmende des Protestes abzuschieben. Der Umgang mit den afrikanischen Flüchtlingen wird als einer der Gründe von Befürwortern der Justizreform für ihre Notwendigkeit angebracht: Der oberste Gerichtshof in Israel hat in der Vergangenheit u.a. verhindert, dass Migranten für längere Zeit ohne Gerichtsverfahren inhaftiert werden, und hat auch eine Massnahme abgelehnt, die sie zwingen sollte, 20 Prozent ihres Arbeitslohns in einen Fonds einzuzahlen, wobei das Geld erst bei ihrer Ausreise aus dem Land freigegeben wird.
Die Vereinten Nationen warnten derweil Israel, dass die massenhafte Ausweisung von Eritreern rechtswidrig sei, die Abschiebung der Eritreer gegen das Völkerrecht könnte demnach schlimme menschliche Folgen haben.