Während die Parteiführer der Koalition erklären, dass sie das Gesetz über die Arbeitsweise des Richterwahlausschusses für den Obersten Gerichtshof noch vor der Pessach-Pause der Knesset Anfang nächsten Monats durchbringen wollen und dann nach der Pause den Rest des Gesetzespakets beschliessen werden, kämpft der israelische Präsident mit Hochdruck um einen Kompromiss. Die Opposition lehnt die Pläne der Regierung zur radikalen Umgestaltung des Justizwesens weiter ab.
Der Gesetzesentwurf, der derzeit mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch das Gesetzgebungsverfahren geschleust wird, würde der Regierung die totale Kontrolle über die Ernennung von Richtern geben, selbst mit den kürzlich von der Regierung eingebrachten Änderungen. Justizminister Yariv Levin erklärte gerade in einem Interview dass der Oberste Gerichtshof „keine Rechtfertigung“ hätte, das Gesetz zu kippen: „Unser Ziel ist es, das Justizsystem zu diversifizieren und auszugleichen. Es geht nicht darum, das Justizsystem zu übernehmen oder zu politisieren. Die meisten dieser Panikmache sind wirklich völlig unbegründet“, sagte er dem Sender Channel 14. Die geplanten Veränderungen sprechen jedoch eine andere Sprache: Der neunköpfige Oberste Gerichtshof Israels setzt sich derzeit aus vier Politikern und fünf Berufsvertretern zusammen – drei Richtern und zwei Mitgliedern der israelischen Anwaltskammer. Diese Zahl soll auf elf Mitglieder erweitert, von denen sechs der Regierungsmehrheit angehören werden. Geplant ist, dass Beschlüsse durch eine einfache Mehrheit von sechs der elf Mitglieder durchgeführt werden könnten.
Kritiker der Reform glauben, dass sie die Unabhängigkeit des Obersten Gerichtshofes und damit die legislative Kontrolle aushebelt. Die Frage nach der Ernennung der Richter ist davon abgesehen nur der erste Schritt der Reform. Ziel der Koalition ist es, danach weitere Gesetzesentwürfe einbringen, die auf Premierminister Benjamin Netanjahu zugeschnitten sind: Sie sollen den Generalstaatsanwalt und den Obersten Gerichtshof daran hindern, ihn wegen eines Interessenkonflikts zum Rücktritt zu zwingen, und es ihm erlauben, Gelder zu behalten, die er von seinem verstorbenen Cousin als Geschenk erhalten hat und die er nach einem Gerichtsurteil zurückgeben muss. Darüberhinaus ist ein Gesetz für den Vorsitzenden der Schas-Partei, Aryeh Deri, geplant, der wieder in sein Amt als Minister eingesetzt werden soll, obwohl er vorbestraft ist und ein Gerichtsurteil diesen Vorgang deshalb untersagt.
Hunderttausende Israelis gehen seit Wochen gegen die geplante Justizreform auf die Strasse, viele Intellektuelle im Land, darunter Nobelpreisträger, aktuelle und ehemalige Vorsitzende der israelischen Zentralbank und wichtige Vertreter der Start-up-Branche haben vor den Folgen der Reform gewarnt. Reservisten verschiedener Eliteeinheiten der israelischen Armee haben aus Protest gegen die Reformen ihren Dienst verweigert. Auch ein Forum von Bankchefs und anderen führenden Vertretern der Wirtschaft warnte Premierminister Benjamin Netanjahu am Dienstag erneut vor der Justizreform, die Israel in eine Diktatur verwandeln werde.
Zu den Unterzeichnern des Briefes des Israel Business Forum an den Premierminister gehörten die Chefs einiger der erfolgreichsten Unternehmen des Landes sowie die leitenden Angestellten von fünf Banken.
„Dieses Gesetz schadet dem Rechtssystem ernsthaft und untergräbt die Grundlagen der Demokratie, die auf der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit des Rechtssystems beruht, und verwandelt Israel in eine Diktatur“, heisst es in dem Schreiben. „Dieser Schritt wird Israels Wirtschaft ernsthaft schaden und darüber hinaus die israelische Gesellschaft als Ganzes, ihre Widerstandsfähigkeit, ihre Sicherheit und ihre Werte schädigen“, heisst es in dem Schreiben.