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Vielfältig und Multikulti: Ein Einblick in die israelische Jazz-Szene

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Von Rebecca Steiner

Die heutige Jazzszene hat einen ganz anderen Klang und eine andere Kultur als früher zu Zeiten, in denen der Jazz entstanden ist. Heute ist vor allem der Ethno-Jazz, der verschiedene ethnische Musiktraditionen kombiniert, in der ganzen Welt populär geworden. Israel hat sich zu einem der grössten Produzenten weltbekannter Jazzmusiker entwickelt, was angesichts der geringen Grösse des Landes besonders beeindruckend ist. Doch das Land hat auch seine eigene spezifische Ethno-Jazz-Kultur und -Gemeinschaft entwickelt.

Vor den 1990er Jahren wurde Israel in der globalen Jazzszene nicht wirklich erwähnt. Aber heute haben israelische Jazzmusiker die multikulturelle Musik Israels in den Jazz integriert, und wo es Jazz gibt, gibt es in der Regel auch einen israelischen Jazzer.

Liad Mor, ein Bassist, der derzeit in Tel Aviv lebt, ist der Meinung, dass der Jazz in Israel dort ist, wo „der Osten auf den Westen trifft“. In Israel „schauen wir uns den Jazz aus den USA und Europa an und lernen ihn dann mit israelischem Einfluss zu kombinieren.“ Jazzmusiker haben keine Angst, Einflüsse zu mischen, sagt Mor. Woanders „werden Klänge nicht unbedingt vermischt, sondern eher mit historischen Einflüssen versehen“, aber in Israel „werfen wir alles in einen Topf“. Das passiert nicht immer mit Absicht, sondern ist oft das Ergebnis einer „anderen Sichtweise auf die Geschichte und dieses enorme musikalische Erbe, bei dem die Musiker die Rhythmen auf eine andere Art und Weise erleben und spielen, was zu einer originellen und einzigartigen Mischung von Klängen führt.“

Der Jazzmusiker Liad Mor (Bild: Privat)

Die Struktur moderner Kompositionen „entwickelt sich in Europa noch auf akademischem Niveau, in New Orleans und New York gibt es eine Menge Tradition.“ Aber in dem multikulturellen Schmelztiegel, der das Land Israel ist, sind die Jazzer „nicht den Strukturen der [Jazz-]Geschichte mit langen Traditionslinien verpflichtet“, erklärt Mor.

Jazz mit Einflüssen aus Ägypten und dem Libanon

Zum Beispiel ist ein Teil des Jazz in Israel eine „Mischung aus modernem und klassischem Jazz mit Einflüssen aus Ägypten und dem Libanon. Klassischer Jazz wird hier neu interpretiert – viele Leute studieren die Musikrichtung ausserhalb und wenn sie zurückkommen, mischen sie die Klänge dessen, was sie studiert haben, und die Klänge ihrer Kindheit.“ Einige israelische Musiker kombinieren sogar Jazz und Klezmer, eine instrumentale Musiktradition der aschkenasischen Juden in Mittel- und Osteuropa.

Es gibt eine Jazzband im Land, die die einzigartige Rolle Israels in der globalen Jazzszene besonders gut verdeutlicht. Das Nigun Quartet, eine israelische Jazzband, spielt chassidische Melodien und kombiniert diese mit der reichhaltigen Musikalität des Jazz. Die Band besteht aus vier professionell ausgebildeten Jazzmusikern, die den Nigun in Jazz verwandeln.

Ein Nigun ist ein „wortloses Lied, das von chassidischen Juden als Mittel zur Erhebung der Seele gesungen wird“, erklärt Polina Fradkin, die Managerin des Nigun-Quartetts.

Die Jazzband Nigun Quartett (Bild: Gilad Bar Shalev).

Die Musik des Nigun Quartetts „stellt improvisatorische Freiheit sowie rhythmische und harmonische Komplexität einfachen, sich wiederholenden Melodien gegenüber, die das Publikum dazu einladen, sich singend zu beteiligen“. Das Nigun-Quartett, das bereits in Europa, Amerika und Israel aufgetreten ist und dessen Konzerte stets ausverkauft sind, ist berühmt geworden, weil es „alte, sich wiederholende Melodien in der Welt des Jazz an einen höheren Platz bringt“, was „revolutionär“ ist, sagt Fradkin. „Sie machen etwas, was noch nie zuvor gemacht wurde.“ In der Tat, diese Kombination hat es in der Welt des Jazz noch nie gegeben.

„Die Leute lieben es“

Die Reaktionen darauf sind unglaublich: „Das ist ein offen ultraorthodox anmutendes Jazz-Quartett, das den verrücktesten Jazz spielt“, erzählt Fradkin. Wie reagiert die Welt darauf? „Wenn wir ausserhalb Israels spielen, kommen fast nur Nicht-Juden. Wir verkaufen mehr Alben im Ausland als in Israel, die Leute lieben es.“

In Israel selbst spiegelt das Publikum die israelische Gesellschaft am besten wider: „Die Leute tauchen einfach ein, man findet religiöse und nicht-religiöse Menschen“, jeder mit einem „Herz und einer Seele, der tolle Musik liebt“, wird sich mit diesen Klängen verbunden fühlen.

„Die Mission der Musik des Quartetts ist Authentizität“, fügt Fradkin hinzu. Vielleicht ist das der Grund, warum die weltweite Resonanz so unglaublich ist. Die Band trat bereits auf dem Jerusalem Jazz Festival, dem Tzfat Klezmer Festival, dem Israel Music Showcase Festival, dem Zsidó Kulturális Festival in Budapest, Ungarn und dem Thüringer Jüdischen Musikfestival in Deutschland auf. In zwei Wochen geht es nach Frankreich und Deutschland, wo sie als Headliner beim Jazz N‘ Klezmer Festival (Paris und Montpellier) sowie beim Usedomer Musikfestival auftreten werden.

Israelischer Jazz ist vielseitig und von multikulturellen Einflüssen geprägt (Bild: Danielle Shitrit)

Beit Haamudim, ein Jazzclub in Tel Aviv, der von Business Insider als einer der elf besten Jazzclubs der Welt aufgeführt wurde, hat das Quartett und den Bassisten Liad Mor ebenfalls schon mehrfach zu Gast gehabt. „Wie auch schon in der Tech-Branche zeigt Israel der Welt, dass seine Kunst einzigartig ist und dass es eine andere Perspektive für Kreativität einbringt“, sagt Mor.

Man muss schon ein besonderes Land sein, um eine klassische Kunst mit multikulturellen Einflüssen zu verbinden und damit einen so grossen Einfluss auf die Welt zu haben.

Sie können die Musik des Nigun Quartetts hier und die Musik von Liad Mor hier hören.

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Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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