Von Zo Flamenbaum
„Egal, ob im Gesundheitssystem, Bildung, Start-up-Branche oder Hollywood: In Frauen wird weniger investiert“, erklärt Paula Kweskin, Gründerin und Direktorin der Organisation „The 49%“, die sich für Frauenrechte und Weiterbildung in diesen Themen einsetzt. Kweskin, die aus den USA eingewandert ist und in Jerusalem lebt, eine Anwältin im Bereich Menschenrechte, prämierte Dokumentarfilmerin und zweifache Mutter hat diese Lücke selbst erlebt. Sie kennt diese Ungleichheit aus der Filmindustrie und um so mehr als Folge der Covid-Pandemie.
„Was besonders besorgniserregend ist, dass so viel von dem, was Frauen in den letzten zwanzig Jahren erreicht haben, mit der Pandemie wieder verschwunden ist. Es gibt so viele Mädchen, die endlich zur Schule gehen konnten und es nun nicht mehr tun. Die nun nicht mehr lernen, ihre eigenen Geschichten zu erzählen und sich dafür einzusetzen. Es gibt ausserdem einen Anstieg in häuslicher und gegen Frauen gerichteter Gewalt und ich kann nicht erkennen, dass sich die Regierungen darum angemessen kümmern. Ja, Frauenthemen werden vermehr in den Medien diskutiert, aber es gibt immer noch eine sehr einseitige Sicht darauf, was Frauenthemen sind und ehrlich gesagt, ist diese Sicht westlich geprägt. Überproportional oft widmen man sich Fragen wie dem Gehaltsunterschied, Abtreibungsrechten oder der Kampagne #FreeBritney, ohne zu verstehen, welche schlimmen Misshandlungen Frauen in anderen Teilen der Welt erleben. Aber diese Dinge haben miteinander zu tun. Wenn wir bestimmte Probleme ignorieren, finden wir keine nachhaltigen Lösungen für alle Frauen auf der Welt. In Lateinamerika zum Beispiel herrscht eine Epidemie an Frauenmorden, in Honduras wird alle 36 Stunden eine Frau umgebracht und die Massenmedien berichtet darüber nicht. “
Aus diesem Grund hat sich Kweskin dafür entschieden, ihre Zeit dafür einzusetzen, die Geschichten von Frauen, besonders aus marginalisierten Gruppen, zu erzählen. Während soziale Medien einst ein „demokratischer Sammelpunkt für alle Stimmen war, sehen wir jetzt, wie Facebook und Instagram nuancierte Stimmen unterdrückt, in dem der Algorithmus sie versteckt. Ich sehe nicht, dass grosse Tech-Giganten diese Geschichtenerzähler oder marginalisierten Stimmen so unterstützen, wie sie könnten.“
Gegründet 2018, hat „The 49%“ eine Plattform aufgebaut, die genau diese Stimmen hörbar machen will und die Menschenrechtsanwältin Kweskin begann im Rahmen von „The 49%“ Kurzfilme zu drehen und zu produzieren: „Das Medium ist mein Gerichtssaal. Mithilfe der Filme kann ich wirklich etwas bewegen, nicht nur in Fragen von Menschenrechten, sondern Frauenrechten. Ich kann die Kultur, die Wahrnehmung ändern und echte Veränderung bringen.“
Ein Feministischer Filmclub
Kweskin und COO Dana Wilsey haben neben der Plattform einen monatlichen Feministischen Film Club gegründet, in dem sie Filme zeigen und diskutieren. In diesem Monat ist das beispielsweise „A Girl from Mogadishu“, basierend auf der wahren Geschichten von Ifrah Ahmed, die mit acht Jahren eine Genitalverstümmlung erlebte, mit zwölf vergewaltigt wurde und dem Kriegsgeschüttelten Somalia entkam, bevor sie eine der bekanntesten Internationalen Aktivistinnen gegen Gewalt gegen Frauen und weibliche Genitalverstümmlung wurde.
Die Organisation unterhält ausserdem ein Campus Botschafter-Programm, das Diskussionen rund um diese Themen ermutigt und Studentinnen, als nächste Generation mit aktuellen Menschenrechtsthemen vertraut macht. Das kleine Team arbeitet auch an einem jährlichen Filmfestival, das schon früher in Jerusalem stattgefunden hat und an dem in der Vergangenheit Filmemacher aus Ägypten, Sri Lanka, Kanada, Pakistan und den USA teilgenommen haben. Kweskin’s eigener letzter Film, ein Achtminüter namens „Peacemakers“ portraitiert sechs arabische und israelische Aktivisten, die über ihre Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft diskutieren. Kweskin ist darüber hinaus in Kontakt mit afghanischen Frauenrechtsaktivistinnen, um einen Weg zu finden, auch ihre Stimmen auf der Plattform zu integrieren.
Frauen durften über Jahre nicht ihre Geschichten erzählen
Warum braucht es überhaupt einen solch grossen Fokus auf die Geschichten von Frauen? Vielleicht, weil Frauen über Jahre nicht ihre eigenen Geschichten erzählen konnten und es nun Zeit braucht, um das zu ändern. „Die eigene Wahrheit in die Welt zu tragen, kann angsteinflössend sein, man macht sich verletzbar. Aber nur so verändern wir die Welt. Wenn Menschen eine Geschichte hören, wollen sie Schritte ergreifen, um Dinge zu ändern. Und deshalb ist das Erzählen der erste Schritt in Richtung Änderung. Es ist eine magische, kritische Zeit für das Storytelling von weiblichen Geschichten und um die Lage von Frauen zu ändern, müssen wir ändern, wie wir ihre Geschichten sehen.“
Und in Anlehnung an ihre ersten Worte betont Kweskin zum Schluss noch einmal: „Es gibt so eine grosse Ungleichheit wieviel Geld in Frauen und Mädchen investiert wird. Wenn Menschen sich wirklich um dieses Thema sorgen, dann hoffe ich, dass sie auch ihr Geld dementsprechend investieren. Vor allem Micro-Spenden haben so einen grossen Einfluss und sind ein wichtiger Weg, um diese Probleme zu lösen. Wir müssen unsere finanziellen Ressourcen nutzen, um die Dinge für Frauen besser zu machen.“
Neuester Film des Projekts
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