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Die Kunst die bleibt: Zum Tode Dani Karavans

in Israel Zwischenzeilen/Leben, Kultur & Sport

Ich habe Dani Karavan nie getroffen. Trotzdem habe ich das Gefühl, ihn gekannt zu haben. Da ist zuerst einmal seine Tochter Tamar, eine flüchtige Bekannte, der ich seit unserem Kennenlernen, bei Instagram folge. In Tamars Storys und Posts der vergangenen Jahre lernte ich ihren Vater Dani, den grossen Künstler Dani Karavan, als ihren Vater kennen. Ein verschmitzter älterer Herr, den sie auf seinen Reisen begleitete und den sie selbst in Corona-Zeiten, fast täglich zu besuchen schien (er und die Mama an der Haustür – Tamar im Treppenhaus, einander Sätze zurufend, Sätze, die immer von einem offenen, herzlichen Austausch geprägt waren). Die Bewunderung, die Tamar für ihren Vater hatte, die Wärme in der Beziehung der beiden zueinander – das alles sah man deutlich in ihren Videos. Es war echt und schön und berührend. Und als ich las, dass Dani Karavan letzten Samstag verstorben ist, war mein erster Gedanke: Oh Gott, Tamar. Sie ist sicher am Boden zerstört. Wie furchtbar schwer muss ihr Herz jetzt sein? Das Herz, dass sie in den Posts zu ihrem Vater immer als Emoji auf seine und ihre Brust setzte.

Ich ging auf ihr Profil und las: „Wenn es etwas gibt, was ich auf kindischste Weise, hoffte, niemals schreiben zu müssen, dann ist das, dass mein Vater nicht mehr lebt. (…) Es gibt nicht genug Worte, um zu sagen, wer mein Vater für mich ist. Was für ein wundervoller Vater er ist und was für eine tiefe Verbindung zwischen uns besteht. Und es gibt nicht genug Tränen auf dieser Welt, um zu verstehen, dass mein Vater, der das Leben am meisten liebte, nicht mehr lebt. Für die meisten Menschen ist der Künstler Dani Karavan. Aber für mich ist er mein süsser und lustiger Vater.“

Auch für mich war Dani Karavan vor allem der Künstler. Als ich zum ersten Mal bewusst seine Arbeiten sah, 2008 in der grossen Retrospektive im Berliner Martin-Gropius-Bau, beeindruckten sie mich sofort und nachhaltig. Es sind Künstler wie Dani Karavan, die mir diese Welt der Kunst eröffnet haben. Die mir die Liebe zur Kunst geschenkt haben. Ich liebe die Tatsache, dass uns Kunst Dinge empfinden und hinterfragen lässt, dass sie uns traurig und glücklich machen kann. Natürlich muss man, um Kunst geniessen zu können, möglichst gesund und satt sein – und trotzdem glaube ich, dass auch die Kunst per se ein Grundbedürfnis darstellt. Sie ist es, was uns zu Menschen macht. Wir atmen, essen und töten wie Tiere, aber die Tatsache, dass wir ein Bild anschauen und es uns berührt, die Tatsache, dass uns ein Lied oder ein Buch zum Weinen bringen kann, die Tatsache, dass wir manchmal ganz und gar in ein Kunstwerk eintauchen können und uns für immer an diesen Moment erinnern, macht uns zu dem, was wir sind: Menschlich. Ich erinnere mich, wie ich im Januar diesen Jahres mit meiner Familie durch das Negev Monument von Dani Karavan gelaufen bin – ein erstaunliches Kunstwerk in seiner Schönheit, Radikalität, in seiner Stärke und Weichheit – die Hände meiner Kinder in meinen. Ich erinnere mich, wie ich mich an diesem Ort frei und geliebt und herausgefordert fühlte. Willkommen und zu Hause. Und dass alles, all diese Gefühle, weil es einen anderen Menschen gab, der sein ganzes Leben der Kunst gewidmet hat. Mit all den Schwierigkeiten, der inneren Zerrissenheit, der zeitweisen finanziellen Unsicherheit – mit all dem.

Und dafür empfinde ich grosse Dankbarkeit, dafür dass es nach wie vor diese Menschen, diese Künstlerinnen und Künstler gibt, die ihre Kraft darin investieren, dass wir fühlen können und menschlich bleiben. Und im Falle dieser spezifischen Erinnerung von einem sonnigen Tag im Januar: Dafür bedanke ich mich bei Dani Karavan, dessen Licht durch seine Kunst und seine Kinder für immer bei uns sein wird.

Dani Karavan, geboren 7.12.1930 in Tel Aviv, verstorben am 29.05.2021 ebenda, war ein international renommierter Bildhauer. Er gestaltete grossformatige, begehbare Kunstwerke, die zuweilen der Land Art zugerechnet werden.

Mein Kind mitten in einem Dani-Karavan-Kunstwerk: Erinnerungen die bleiben (Bild: KHC).
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Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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