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Corona-Krise: Israel fürchtet deutlich mehr Tote

in Israel Zwischenzeilen/Medizin & Wissenschaft

Nachdem eine Untersuchung der Hebräischen Universität in Jerusalem aufgezeigt hat, dass die Zahl der Corona-Toten in Israel selbst mit den aktuellen Lockdown-Massnahmen erheblich ansteigen könnte, will die Regierung den Lockdown nun noch weiter verschärfen. Israels Corona-Virus-Beauftragter Prof. Ronni Gamzu warnte, dass die Zahlen bereits jetzt auf einen Notstand hinweisen und dass das Land bald bis zu 600 Todesfälle monatlich sehen könnte. Krankenhäuser könnten höchstens 800 schwer erkrankten Corona-Infizierte behandeln – eine Zahl die bis Ende der Woche erreicht sei. Er hätte alle Krankenhäuser im Land angewiesen, zusätzliche Corona-Stationen zu öffnen. Auch das Militär wurde angewiesen, mobile Krankenhäuser aufzubauen. Die Krankenhäuser in Jerusalem und Ashdod haben bereits so viele Corona-Patienten, dass neue Fälle abgewiesen werden mussten.

Aktuelle Corona-Tests zeigen eine Positivrate von 11,6 Prozent, das heisst 11,6 Prozent der getesteten Personen haben Corona: „Wir sehen einen Anstieg der Positivrate, die darauf hinweisen, dass die Morbidität höher ist, als die Zahlen aufzeigen“, erklärte einer der Corona-Experten im Land, Eran Segal vom Weizman Institut gegenüber Ynet, „20 Prozent der schwer erkrankten Patienten sterben an dem Virus. Pessimistische Schätzungen gehen davon aus, dass wir bis zu 6.000 solcher schweren Fälle bis Mitte November haben könnten – das bedeutet 1.200 Tote. Im Besten Fall werden wir 3.500 schwere Fälle und 700 Tote sehen.“

Die Regierung will nun eine weitere Verschärfung des Lockdowns diskutieren. Anders als während des ersten Lockdowns im Frühjahr, halten sich viele Israelis nicht einhundertprozentig an die Ausgehbeschränkungen. Zum Beginn der Woche gab es auf vielen Strassen die typischen Rush-Hour-Staus, ein Indikator dafür, dass die Menschen weiterhin zur Arbeit fahren – obwohl die Menschen eigentlich angehalten sind, sich nicht weiter als einen Kilometer von ihren Wohnungen zu entfernen. In Tel Aviv treffen sich Gruppen am Strand und auf öffentlichen Plätzen. In den religiösen Nachbarschaften werden die Abstandsregeln vor allem in den Synagogen oftmals nicht eingehalten.

Viele Israelis haben die Geduld und das Verständnis für einen weiteren harten Lockdown längst verloren: Im Vorfeld des Lockdowns waren Zehntausende Israelis aus dem Land geflogen, um die Feiertage nicht in Israel verbringen zu müssen: Zum ersten Mal seit langem sah der Ben Gurion Flughafen wieder relativ viel Passagierverkehr. Und selbst im Flughafengebäude trugen viele Israelis ihre Maske nicht ordnungsgemäss – ein Phänomen, das man bereits seit Wochen im Land beobachten kann.

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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