MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Saubere Energie für die Welt

in Israel Zwischenzeilen/Wirtschaft & Innovation

Was wäre, wenn man eine Art der Energiegewinnung hätte, die nicht nur absolut klimafreundlich ist, sondern auch noch mit der Realisierung von Landwirtschaft in Wüsten kombiniert werden könnte? Ralph Steigrad wirbt genau dafür und versucht Schweizer und Israelis für ein Pilotprojekt an einen Tisch zu bekommen…

Von Katharina Höftmann Ciobotaru

Wie so oft im Leben entstand die Idee aus einer Diskussion: Ralph Steigrad lebte damals noch in Australien und debattierte mit Freunden darüber, ob Atomkraftwerke eigentlich umweltfreundlich seien. Das Thema liess Steigrad nicht los und der ausgebildete Physiker und Mathematiker begann, die Energiestatistik der Welt zu analysieren: „Es ist gar nicht so einfach, diese ganze Daten zu finden und in einen Kontext zu bringen, aber ich stellte schnell fest, dass die Energie, die wir aus Atomkraftwerken gewinnen, nur einen kleinen Teil der weltweit gebrauchten Energie ausmacht. Die meiste Energie wird immer noch aus Kohle und Erdöl gewonnen. Ich begann mich rein theoretisch zu fragen, wie die Welt aussehen würde, wenn wir nur eine Energieform hätten?“ Steigrad analysierte, dass man etwa 17.500 Atomkraftwerke bräuchte, um die ganze Welt mit Energie zu versorgen – aktuell gibt es weltweit etwa 440. „Aber die Uranium Ressourcen sind sehr beschränkt, und könnten die ganze Welt für nur fünf Jahre mit Energie versorgen. Dazu kommt: Atomkraftwerke leben etwa 40 Jahre und dann kostet die Entsorgung mehr als der Bau. So sind die Kosten massiv höher als der Energiegewinn.“

Einmal in diese Themenwelt eingetaucht, begann der Physiker und IT-Spezialist immer weiter zu forschen und nach umweltfreundlichen, kostengünstigeren Lösungen zu suchen. Er sammelte Fakten, wie die Tatsache, dass es viele Wüsten weltweit gibt und dass sich einige (vor allem die nicht zu kalten) sehr gut zur Energiegewinnung eignen. Zum Beispiel in Australien, Indien, Saudi Arabien, den USA und auf dem afrikanischem Kontinent. Nun gibt es ja bereits einige Solaranlagen, die vor allem in Wüsten – auch in der israelischen Negev-Wüste – auf umweltfreundliche Art Energie gewinnen. Allerdings lediglich Elektrizität, was den Nachteil hat, dass diese nicht gelagert und nur unter Verlusten in andere Energieformen umgewandelt werden kann. „Eigentlich bräuchte man Solaranlagen, die flüssige oder gasförmige Energie herstellen: Kerosin, Benzin, oder Hydrogen, das jahrelang gelagert und direkt von Fahrzeugen, Flugzeugen und so weiter genutzt werden kann, und dessen Transport weltweit dem jetzigen Netzwerk entsprechen.“

Sauberes Fliegen

Hier kommt Prof. Aldo Steinfeld von der ETH Zürich ins Spiel. Im Jahr 2019 hat Prof. Aldo Steinfeld von der ETH Zürich sein „Sun to Liquid“-Projekt vorgestellt, das zur Zeit von dem Spin-Off Unternehmen Synhelion weiter entwickelt wird. Prof. Steinfeld hat sich im Rahmen seiner Forschung vor allem die Frage gestellt, wie Menschen ihren CO2-Fussabdruck beseitigen können, ohne mit dem Fliegen und dem Autofahren aufzuhören. Gemeinsam mit seinem Forschungsteam hat der Professor, der an der ETH Zürich den Lehrstuhl für Erneuerbare Energien leitet, eine Technologie für CSP-Solarzellen entwickelt, bei der ein Solarreaktor CO2 und Wasser aus der Luft zieht, diese mit Sonnen-Energie spaltet und schliesslich in Kerosin umwandelt. Ein Meilenstein in der Produktion von Carbon-neutralen Energien. Ersten Schätzungen zufolge haben diese neuen Solarzellen eine Effizienz von 26 Prozent (normalerweise liegt die Effizienz von Solarzellen zwischen 18 und 21 Prozent).

Die Forschungsanlage, mit der sich synthetische flüssige Treibstoffe herstellen lassen, die bei der Verbrennung nur so viel CO2 freisetzen, wie zuvor der Luft entnommen wurde, steht auf dem Dach des ETH-Gebäudes. (Bild: ETH Zürich / Alessandro Della Bella)

Ralph Steigrad hat diese Entwicklung verfolgt und noch weiter gedacht: „Ich habe einen guten Bekannten im Norden Israels, der eine ganze Menge Milchkühe besitzt. Die sind im Sommer unter einem Metalldach untergebracht und werden mit Wasser besprüht, damit ihnen nicht zu heiss wird. Irgendwann habe ich diesem Bekannten vorgeschlagen, er solle doch einfach Solarzellen auf dem Dach anbringen. Mittlerweile verdient er mehr durch die Solaranlagen, als durch die Milchkühe.“ Die Idee liesse sich in der Wüste hervorragend mit den neuen Solarzellen von Prof. Steinfeld verbinden: Unter einer etwa 15 Meter hohen Anlage aus Solarzellen könnte man Rinder, Milchkühe und Schafe halten. Da die Solarzellen auf dem Dach viel von der Hitze nehmen, braucht man dann sogar weniger Wasser, um die Tiere abzukühlen. Das benötigte Wasser kann darüber hinaus aus der Luft oder mit Hilfe der in Israel entwickelten Entsalzungsanlagen gewonnen werden, die ausserordentlich energiefreundlich arbeiten. Doch nicht nur das, man könnte auch Gemüse, Getreide oder Soja unter der Solaranlage anbauen – das ultraviolette Licht, welches diese zum Wachsen brauchen, bekämen sie auch unter den Panels. Und die Reste der Pflanzen, die von den Tieren nicht gefressen werden, kann man in Biogas umwandeln.

Klimafreundliche Energiegewinnung und nachhaltige Landwirtschaft

Durch die Technologie in den Solaranlage von Prof. Steinfeld kann noch etwas anderes spektakuläres erreicht werden: Sie kann Methangas aufnehmen, das Kühe bei der Verdauung ausstossen und das 30-mal klimaschädlicher ist als CO2, dieses sammeln und wiederum in noch mehr Kerosin umwandeln. Ein weiterer positiver Nebeneffekt dieser Anlagen in der Wüste wäre, dass sich die Wüste insgesamt etwas abkühlt und wieder mehr Pflanzenwuchs möglich wird. Insgesamt eine Entwicklung, die extrem viel Potential verspricht: Für klimafreundlichere Energiegewinnung, aber auch für eine nachhaltigere Landwirtschaft und Viehzucht. Denn die riesigen Mengen an Vieh, die überall auf der Welt gehalten werden, die Menge an Futter, die für dieses Vieh benötigt wird, die Mengen an Wasser und Land (entweder direkt oder indirekt für den Futteranbau), die zur Viehzucht nötig sind, haben einen direkten Einfluss auf unser Klima, u.a. durch Abholzungen des Regenwaldes.

Warum also werden diese Anlagen nicht längst in grossem Stil gebaut? „Das hat mehrere Gründe“, erklärt Ralph Steigrad, der seit acht Jahren an dem Konzept arbeitet, „zum einen ist die Kohle-Lobby in Ländern wie Australien immer noch sehr stark, alternative Energiekonzepte haben es deswegen, zumindest noch, schwer. Ausserdem ist unsere Methode immer noch zu unbekannt und Investoren tun sich schwer damit, auf lange Sicht sehr viel Geld zu investieren.“ Etwa 1,3 Milliarden Dollar würde ein erstes Pilotprojekt in der israelischen Negev-Wüste auf vier mal vier Kilometer Fläche kosten, schätzt Steigrad und glaubt: „Die Politik muss sich dieser Innovation annehmen: wenn wir ein Kooperationsprojekt zwischen der israelischen und schweizerischen Regierung auf den Weg bringen könnten, um die Forschung weiter voranzubringen und potentiellen Investoren Garantien zu geben, würde uns das ein grosses Stück voranbringen. Es ist denkbar, dass zum Beispiel Investoren Parzellen der Anlage kaufen und so das Projekt finanzieren.“

Ralph Steigrad vor CSP-Solarzellen (Bild: privat).

Weltweit bräuchte man insgesamt 900 mal 900 Kilometer Wüste, um diese mit der Solaranlage zu bebauen: Das Ergebnis wäre genug Energie für die ganze Welt und eine Abdeckung von 40 Prozent der benötigten Nahrungsmittel Gemüse und Fleisch – und das in der Wüste, ohne dass man weitere Wälder für diese Zwecke abholzen müsste. Steigrad, der in Israel lebt und die Schweizer in Israel im Auslandschweizer-Parlament vertritt, hofft, durch so ein Projekt eine Wende im Energie- und Umweltsektor zu erreichen, die nur mit der Hilfe und Unterstützung der ganzen Welt gelingen kann. Und während Israel das perfekte Land für das Pilotprojekt wäre, auch weil es im Süden des Landes bereits Kibbuze gibt, die Erfahrungen mit Agrikultur in der Wüste haben, hat Steigrad auch noch ein weiteres Land gefunden, das sich hervorragend für das Projekt in voller Grösse eignet: „Saudi Arabien schwebt eine Solar City vor, sie arbeiten bereits an dem sogenannten Neom Projekt. Das Land hat die perfekte Wüste für diese Anlagen. Und dieses Stück Land, das sich dafür am Besten eignet, ist nur 20 Kilometer von Israel entfernt.“

Weitere Informationen:

Webseite von Ralph Steigrads Projekt „Green Solar City“ (eng)

ETH Zürich entwickelt Forschungsanlage für die Gewinnung von Flüssigtreibstoff

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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