Am Wochenende an der Grenze zwischen Jordanien und Israel beobachtete ich mal wieder israelische Sicherheitskräfte, wie sie die Rucksäcke von zwei jungen Deutschen komplett auseinander nahmen. Während wir, mit Kindern und Wagen und Koffer und Kühltasche (Essen immer dabei! Wir sind ja Israelis) relativ schnell durch die Sicherheitskontrolle schlüpften, stapelten sich auf dem Band neben uns T-Shirts, zerknitterte Hemden und Dreckwäsche, die Gesichter der Deutschen schwankten irgendwo zwischen amüsiert und „was zum Teufel?“. Ich konnte sie gut verstehen, hatte ich doch früher oft genug in ihren Schuhen gesteckt. Absurde Fragen, die Forderung, private Nachrichten zu lesen, das Wühlen in meiner Unterwäsche: Kenn‘ ich alles! Auf dem Flughafen in New York schickte mich die israelische Fluggesellschaft Elal sogar mal in ein eigenes Zimmer, wo ich blank ziehen durfte. Meinen Laptop nahmen sie mir dann auch noch ab. Damals war ich schon seit acht Jahren mit einem Israeli liiert und lebte seit fast vier Jahren im Land.
Die Wahrheit ist: die israelische Sicherheitskräfte verschonen niemanden. Auch mehrere Mitglieder verschiedener Eurovision-Delegationen und eine Madonna-Tänzerin beschwerten sich kürzlich über ihre nervenaufreibende Ausreise aus dem Gelobten Land. Vor allem die intimen Befragungen gehen den Leuten auf die Nerven, die lediglich an Körperscanner und daran, ihre vollen Wasserflaschen wegwerfen zu müssen, gewöhnt sind. „Es gibt keinen anderen Flughafen auf der ganzen Welt, der Sicherheitskontrollen auf diesem hohen Niveau durchführt, was Professionalität, gesunden Menschenverstand und Logik angeht“, erklärt der Sicherheitschef des Ben-Gurion-Flughafens Pini Schiff auf Kritik der Newsseite Globes, „Nicht umsonst gelten wir als sicherster Flughafen der Welt. (…) 23 Millionen Passagiere fertigen wir jährlich ab und natürlich gibt es da auch mal welche, die den Sicherheitscheck nicht mögen – aber das ist okay. Denn man muss verstehen, was wir tun und wie wir Terroranschläge verhindern.“
Alles was man über Israels Flughafen Ben Gurion wissen muss
Was sie in Israel tun, nennt man übrigens „selective profiling“ – das bedeutet, mit jedem Passagier werden ein paar Worte gewechselt (je nach ethnischer Herkunft auch gerne ein paar Worte mehr) und dann entscheiden die Sicherheitskräfte, ob die Person verdächtig ist oder nicht. Als relativ blonde Deutsche ohne Migrationshintergrund hat es mich früher immer gewundert, warum ich im israelischen Flughafen oder von ElAl gerne mal behandelt werde, als sei ich die Cousine von Hassan Nasrallah, bis mir jemand erzählte: Junge Frauen seien besonders gefährlich. Denn die liessen sich ja leicht beeinflussen und merkten im Zweifel nicht, wenn ihnen ein Typ ’ne Bombe ins Gepäck steckt. Das Gegenteil der allein reisenden jungen Frau ist übrigens die Mama mit Kind. Seitdem ich regelmässig mit meinen Kindern reise, winkt man uns ratzfatz durch alle Kontrollen.
Die guten Nachrichten sind so oder so: Wenn man einmal in Israel ist, hat man praktisch nix mehr zu fürchten. Zustände wie in Deutschland, wo der Antisemitismus-Beauftragte Felix Klein Juden davor warnt, die Kippa zu tragen, gibt es in Israel nicht. In all den Jahren, die ich nach Israel komme und hier lebe, wurde ich noch nie angefeindet, weil ich Deutsche bin (dabei könnte ich das – weil: Geschichte! – durchaus nachvollziehen). Ich spreche überall mit meinen Söhnen deutsch und selbst Holocaustüberlebende, die ich treffe, freuen sich, Sprache und Kultur mit mir zu teilen. Ich weiss nicht, was da so abartig schief gelaufen ist, dass man in Deutschland nicht offen jüdisch sein kann, in Israel aber offen Deutsch. Ob das exzessive Kippa-Tragen, das nun von Bild-Zeitung und Co vorgeschlagen wurde, daran etwas ändern wird, darf bezweifelt werden.
Deutsche finden die Profiling-Methoden der Israelis oft rassistisch und übertrieben. Aber sie sind bezeichnend dafür, wie man in Israel mit Gefahren umgeht: Man schützt sich um jeden Preis, auf die Art, die am Besten funktioniert. Ein bisschen mehr von dieser pragmatischen Entschlossenheit täte Deutschland im Umgang mit Antisemitismus gegen Kippa-Trägern vielleicht gar nicht schlecht.