MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Kolumne: Die Türkei bei meinem Schwiegervater zu Hause

in Kolumne/Leben, Kultur & Sport

Neulich besuchten wir mal wieder die Eltern meines Mannes. Mein Schwiegervater, der sonst mit einem breiten Strahlen auf uns zukommt und fragt, ob wir Hunger hätten, saß an den Fernseher gefesselt und schaute nur kurz auf, als wir die Wohnung betraten. Ich nahm mir ein Schnitzel auf die Hand (keine Angst, bei meinen Schwiegereltern wird so ein Verhalten ermutigt und nicht als Flegelhaftigkeit gewertet), setzte mich zu ihm und da war ich auch schon mittendrin:
„Das ist Faruk, der älteste der vier Söhne und das seine Mutter Esma, sie ist sehr dominant, aber ihr liegt das Wohl ihrer Söhne wirklich am Herzen. Das ist Süreyya, sie ist Faruks große Liebe – aber anders als Faruk stammt sie aus einfachen Verhältnissen. Sie hat es nicht leicht im Hause Boran. Das ist Adem, der Halbbruder, er will sich an den Borans rächen …“ Der Mann, der sonst drei Anläufe braucht, um seinen Sohn mit dem richtigen Namen und nicht dem seiner Brüder anzusprechen, erklärte mir detailliert das Who is who einer türkischen Soap Opera namens İstanbullu Gelin. „Die Braut von Istanbul“ haucht er ehrfürchtig, als ich ihn nach der Bedeutung des Titels frage.

Poster der Serie „Die Braut von Istanbul“ (Bild: Presse).

Nun muss man sagen, dass die meisten Israelis nach diversen Vorkommnissen um Erdowahn und Co nicht das beste Verhältnis zur Türkei haben. Während sie früher in Scharen nach Antalya flogen, um sich dort für wenig Geld an All-inclusive-Buffets den Magen vollzuschlagen, warnte der israelische Tourismusminister 2018 plötzlich sogar vor Reisen in das Land. Mein Mann kauft in den letzten Jahren nur zähneknirschend Produkte, die in der Türkei hergestellt wurden und auch der Rest meiner Schwiegerfamilie hat, gelinde gesagt, keine besonders hohe Meinung von „den Türken“ (damit meinen sie natürlich vor allem die Politiker, aber wir wissen ja alle, dass man da schnell vom Hundertsten ins Tausendste kommt). Umso erstaunlicher schien mir die Begeisterung für dieses „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ mit Ramadan und Allah-Zitaten.

Wobei, auf den zweiten Blick eigentlich gar nicht erstaunlich, zeigt „Die Braut von Istanbul“ doch viele Dinge, die auch in der israelischen Kultur allgegenwärtig sind: Ständig heiratet jemand. Die Familie sitzt viel zu oft zusammen, um unnatürliche Mengen an Essen zu verspachteln. Die Frauen mit ihren dunklen, vollen Haaren und perfekt manikürten Fingern und die Männer mit ihren dichten Bärten und feurigen Augen sehen aus wie viele der Bewohner des jüdischen Staates. Die Leute sind emotional, immer latent verärgert und am Ende werden Baklava und Burekas gegessen. Ja, selbst die türkische Matriarchin Esma gibt es hier, nur dass sie in Israel Yaffa oder Zipi heißt.

Fast 80.000 Fans hat die israelische Facebook-Gruppe „Die Braut von Istanbul – nur für Abhängige“ bereits und allen Warnungen zum Trotz, fliegen Israelis in Scharen zum Filmset in der Nähe Istanbuls, um einen Blick auf Faruk, Ozcan Deniz, der in Israel mittlerweile als Sex-Symbol gehandelt wird, zu werfen. Mein Schwiegervater fiebert derweil auf jede neue Folge hin, wie Kinder auf Weihnachten. Ich beobachte ihn amüsiert und flüchte dann doch schnell vor all den Irrungen und Wirrungen dieser fremden türkischen Familie, zu meiner Schwägerin, die nebenan wohnt. Kaum habe ich mich auf ihr Sofa gesetzt, schnappt sie sich die Fernbedienung: „Oh Gott, wir müssen diese Serie gucken, die ich liebe. Sie heißt ‚Die Braut von’…“ – „Ich weiß, ich weiß“, seufze ich.

Mein Schwiegerpapa und seine türkische Zweitfamilie (Bild: KHC).

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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