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Fotografie: „Dieses Land ist so klein, aber hat trotzdem so viele verschiedenen Welten zu bieten“

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Herlinde Koelbl gehört zu den wichtigsten, zeitgenössischen Fotografen und Künstlern der Welt. Für ihre neuste Fotoserie „Faces of Jerusalem“ besuchte sie die israelische Hauptstadt und begegnete Menschen, die trotz allem an ein friedliches Zusammenleben zwischen Juden und Arabern glauben…

Von Katharina Höftmann

Deutschlands wohl talentierteste Fotografin Herlinde Koelbl ist nicht zum ersten Mal in Jerusalem oder Israel. Mittlerweile hat sie einiges über die Mentalität des Landes gelernt. Noch heute erinnert sie sich an ihre Bemühungen Ende der 80er Jahre, Teddy Kollek zu portraitieren: „Nach mehreren erfolglosen Anrufen in seinem Büro, sagte mir jemand, ich solle einfach bei Teddy Kollek zu Hause anrufen. Mir als Deutsche kam das äusserst unhöflich vor, aber ich tat es dann doch und bekam tatsächlich endlich meinen Termin.“ Als sie den Jerusalemer Star-Bürgermeister schliesslich traf, kürzte er ihre Small-Talk-Bemühungen rüde ab: „Sparen sie sich die Höflichkeiten und fangen sie an.“ Seitdem war Herlinde Koelbl wohl insgesamt mehr als zehn Mal im Heiligen Land. Sie hat viel über diese Israelis, die manchmal etwas rau erscheinen, gelernt und viele Freunde im Land gewonnen. Vor allem aber hat sie die besondere Vielfalt zu schätzen gelernt: „Dieses Land ist so klein, aber hat trotzdem so viele verschiedenen Welten zu bieten.“

‪Eliyahu McLean, Director, Abrahamic Reunion‬ und Haj Ibrahim Ahmad Abu El-Hawa, Peacemaker (Bild: Herlinde Koelbl/Mishkenot Sha'ananim, Jerusalem).‬
‪Eliyahu McLean, Director, Abrahamic Reunion‬ und Haj Ibrahim Ahmad Abu El-Hawa, Peacemaker (Bild: Herlinde Koelbl/Mishkenot Sha’ananim, Jerusalem).‬

Dass Israel auch nach all den vielen Besuchen immer noch eine faszinierende Wirkung auf die Künstlerin hat, zeigt die Tatsache, dass Koelbl auf die Anfrage der Jerusalem Foundation anlässlich ihres 50. Jubiläums eine Fotoreihe mit dem Titel „Faces of Jerusalem“ zu erstellen, sofort begeistert zusagte.

Fotoreihe widmet sich dem Thema Koexistenz

Für Koelbl, die für ihre Fotoprojekte bereits die ganze Welt bereiste, war schnell klar, dass sie ihre Fotoreihe in Jerusalem dem Thema „Koexistenz“ widmen wollte: „Einerseits ist die Situation in Israel ruhiger geworden, aber andererseits scheint sie mir auch viel angespannter als früher. Das Misstrauen ist auf beiden Seiten viel grösser geworden. Man spürt einfach überall im Land das Konfliktpotential“, erklärt sie ihre Beweggründe bei unserem Treffen auf der Terrasse des pittoresken YMCAs. Koelbl, deren Arbeit auch deswegen so besonders ist, weil sie eben nicht „nur“ Fotos macht, sondern meist kleine Interviews oder Zitate der Portraitierten dazu stellt, war es ein tiefes Anliegen, sowohl Juden als auch Araber in der israelischen Hauptstadt zu portraitieren und ihre Lebenswelten besser zu verstehen.

Die entstandenen Bilder zeigen Lehrer, Sozialarbeiter, Köche, Friedensstifter und einen Rabbiner. Sie alle verbindet die Arbeit und der Glaube an ein friedliches Zusammenleben zwischen Juden und Arabern in Israel. „Das sind Menschen, die trotz allem immer wieder zusammen etwas wagen. Die jeden Tag aufs Neue etwas ändern. Egal, wie viele negative Kommentare sie dafür hören.“ Aus den Zitaten, die Koelbl im Beiheft zur Ausstellung neben die Fotos gestellt hat, wird deutlich, wie schwer diese Arbeit für Frieden und Koexistenz manchmal sein muss: „Meine Frau ist Jüdin, und wir sind ein ‚Mixed Couple‘ (…) Aber sie wollte nicht auf diesem Bild sein, da wir bedroht werden. Die Nachbarn haben einen Antrag gestellt, dass wir das Haus verlassen sollen“, erzählt beispielsweise der Lehrer Anwar Ben Badis, der auf dem Bild mit seiner kleinen Tochter Hili Noon zu sehen ist.

Es geht um die Kinder in der Stadt

Es sind vor allem die jüngsten Bürger der Stadt, die Herlinde Koelbl in ihrer Fotoserie „Faces of Jerusalem“ immer wieder in den Fokus nimmt. Ob bei arabisch-jüdischen Klettergruppen oder wenn sie Kinder verschiedener Religionen des Erna und Henry Leir Friedenskindergartens zeigt.

Schachlehrer Daniel Morgan und seine Schüler (Bild: Herlinde Koelbl/Mishkenot Sha'ananim, Jerusalem)‬.
Schachlehrer Daniel Morgan und seine Schüler (Bild: Herlinde Koelbl/Mishkenot Sha’ananim, Jerusalem)‬.

Die Fotografien, die Herlinde Koelbl, die an ihren grossen Projekten wie „Jüdische Portraits“ oder „Spuren der Macht“ schon einmal über mehrere Jahre arbeitet, in Jerusalem in relativ kurzer Zeit gemacht haben, zeigen die Nähe der Künstlerin zu ihren „Objekten“. Sie zeigen, dass Koelbl bei der Serie, die jetzt in Jerusalem in der Dwek Gallery ausgestellt wird, die Mission hatte, leidenschaftlich für Frieden und Koexistenz zu werben. Sie machen aber auch deutlich, dass in der Arbeit von Herlinde Koelbl kein Platz für gestellte Szenen oder Momente ist. Sie will die Menschen so wie sie sind, kennenlernen und portraitieren. Auf die Frage, wie sie es schafft, Fremden so nah zu kommen, lächelt sie weise: „Es gibt kein Rezept, man muss die Menschen einfach respektieren und an ihnen interessiert sein. Nicht die Kamera macht das Portrait, sondern die Person dahinter.“

Die Künstlerin Herlinde Koelbl ausnahmsweise vor der Kamera (Bild: Johannes Rodach)‬.
Die Künstlerin Herlinde Koelbl ausnahmsweise vor der Kamera (Bild: Johannes Rodach)‬.

Die Ausstellung „Faces of Jerusalem“ ist noch bis zum 31.12.16 in Jerusalem, Dwek Galerie, Mishkenot Sha’ananim zu sehen. Danach ist eine Wanderausstellung in Deutschland geplant.

Über die Jerusalem Foundation

Die 1966 von Teddy Kollek, Jerusalems legendärem Bürgermeister, gegründete Jerusalem Foundation setzt sich für eine Stadt ein, die alle Menschen, ungeachtet ihrer Herkunft, vereint. Die überparteiliche Stiftung baut Brücken des guten Willens, der Toleranz und des sozialen Ausgleichs. Ihre Arbeit betrifft alle Bevölkerungsgruppen: Juden, Araber, Christen, jung und alt, und wird von drei Grundsätzen geleitet:

1. Ungeachtet der politischen Situation werden Juden, Araber und Christen weiter in der Region zusammenleben.
2. Sie alle fühlen sich mit Jerusalem eng verbunden.
3. Das Zusammenwirken aller ethnischen Gruppen fördert eine lebensfähige Stadt zum Wohle aller Bewohner.

In diesem Jahr feiert die Organisation ihr 50-jähriges Bestehen mit einem umfangreichen Kulturprogramm in Israels Hauptstadt.

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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