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Bethlehem Haglilit – das versteckte Templerdorf

in Israel Zwischenzeilen/Reportagen

Israel verfügt über eine unendliche Menge an historischen Stätten. Sie stammen aus Zeiten der Byzantiner, Römer, Osmanen und Templer. Der Umgang mit der Geschichte, die hinter den beliebten Attraktionen steht, ist nicht immer einfach – das merkt man vor allem, wenn man in das ehemalige Templerdorf Bethlehem Haglilit kommt…

Von Katharina Höftmann

Bethlehem Haglilit, aus dem Hebräischen übersetzt „das galiläische Bethlehem“, versteckt sich hinter dem Carmelgebirge. Gut zwanzig Minuten Autofahrt von der Küstenstadt Haifa und nur zehn Kilometer von Nazareth, dem Heimatort Jesu, entfernt. Es versteckt sich im wahrsten Sinne des Wortes, denn viele ausländische Touristen haben noch nie von der Ortschaft gehört. Auch die „Spurensuche“-App des Goethe Instituts, ein interaktiver Reiseführer, der Spuren deutscher Geschichte in Israel aufzeigt, hat Bethlehem Haglilit nicht im Programm. Dabei glauben manche Historiker sogar, dass Jesus eigentlich hier im Bethlehem von Galiläa geboren wurde, das im Gegensatz zum Bethlehem von Judäa bei Jerusalem, sehr viel näher an Nazareth liegt. Andere behaupten, dass der Ort eine der wichtigsten Geburtstätten des rabbinisches Judentums sei.

Bethlehem Haglilit hat über die Jahrhunderte viel Geschichte miterlebt. Als Zentrum des israelischen Stammes der Sebulon, findet die Stadt erstmals im Buch Joschua im alten Testament Erwähnung. Archäologen stiessen in Bethlehem Haglilit auf Spuren aus der Zeit des Byzantinischen und des Römischen Reichs. Später wurde die Ortschaft jüdisch, noch später (etwa im 7. Jahrhundert n. Chr.) zerstörten Persische und Arabische Eroberer die Stadt, bevor die Mamluken und Osmanen kamen. Um 1890 dann erreichten die deutschen Templer das Dorf und hinterliessen die Spuren, die man heute noch am deutlichsten in Bethlehem Haglilit sehen kann.

Die typische Templerarchitektur prägt das Dorf, das offiziell als Moshav betitel wird (Moshavim sind genossenschaftlich organisierte sowohl in Kollektiv- wie auch in Privateigentum organisierte Dörfer). Aber anders als in den bekannten und touristisch aktiv vermarkteten Templersiedlungen, wie den deutschen Kolonien in Haifa und Jerusalem oder dem Sarona-Viertel in Tel Aviv, weist hier fast nichts auf die Verbindung der Templer zur Ortschaft hin. Dabei hatten die Templer das Dorf in Galiläa 1906 überhaupt erst wiederbelebt und ihm den Namen Bethlehem zurückgegeben. Heutzutage jedoch gibt es weder Informationsschilder, noch Wegweiser. Nichts, was Touristen dabei helfen könnte, die Geschichte hinter der besonderen Architektur, die sich dort mitten in Galiläa auftut, zu verstehen. Das prächtige „Haus des Volkes“, was früher als Schule diente, steht ungenutzt leer. In den meisten Templerbauten wohnt jeweils eine Familie, betreten kann man die Häuser als Tourist nicht. Lediglich die Pension der Familie Fleischman verspricht, ein „Haus und auch Geschichte“ zu sein.

Die Geschichte der Tempelgesellschaft, eine um 1850 im Königreich Württemberg entstandene christliche Religionsgemeinschaft, sieht man in Israel verständlicherweise zwiespältig. Einerseits halfen sie, Infrastruktur im damaligen Palästina aufzubauen und bauten Häuser, die noch heute zu den schönsten im Land gehören – andererseits begrüssten sie die Machtergreifung der Nationalsozialisten geradezu überschwänglich und wurden deswegen erst von den Briten und später von den israelischen Behörden des Landes verwiesen.

„Viele Bewohner, die nach der Eroberung des Dorfes durch die israelischen Soldaten, in die Templerhäuser zogen, waren Shoa-Überlebende aus Österreich und Deutschland. Die wollten mit diesen Nazis nichts zu tun haben.“, erzählt Nirale, die am Rande des Dorfes ein kleines Café mit Galerie und Keramikwerkstatt betreibt. Und sowieso wollten viele der Bewohner von Bethlehem Haglilit bloss nicht zu viel Tourismus, winkt sie ab. Man habe schlechte Erfahrungen gemacht mit israelischen Touristen, die einfach in die prächtigen Gärten der Templerbauten stampften, ohne vorher zu fragen. Als wegen der nahe gelegenen Gewürzfarm zu viele israelische Tagesausflügler nach Bethlehem Haglilit kamen, sorgten die Bewohner dafür, dass die Gewürzfarm einen eigenen, vom Dort abgeschnittenen, Zufahrtsweg bekam.

Und so ist an einem Samstag, dem Haupttag für israelische Ausflügler, im Dorf nicht viel los. Restaurants und Touristenattraktionen sind geöffnet, aber die meisten Leute, die die kleine Hauptstrasse, eine Allee mit prächtigen alten Bäumen, entlanglaufen, sind Bewohner auf dem Weg zum Freibad. Dabei gibt es in der Ortschaft vieles zu sehen: Neben den Templerbauten, öffnet einer der vielen Bauernhöfe, die es im Dorf gibt, regelmässig seine Pforte und zeigt den Besuchern, wie Milch gewonnen wird. Die Landwirtschaft spielte immer eine grosse Rolle in Bethlehem Haglilit. Die Templer hatten neben fast jedes Haus auch eine Scheune gebaut, eine Infrastruktur, die noch heute von vielen der 800 Einwohner für die Viehzucht und Gemüseanbau genutzt wird. Daneben gibt es im Dorf eine kleine Fabrik, in der Besucher lernen können, wie man Seifen herstellt. Auch eine Olivenölproduktion lädt mit einem kleinen Besucherzentrum ein. Und am Ende der Allee, die durch das Dorf führt, wartet dann noch eine Überraschung. Hier hat ein Israeli aus dem nahe gelegenen Kiryat Tivon, der als Honorarkonsul des Landes Slowenien tätig ist, so etwas wie eine eigene kleine Stadt errichtet. Die meisten Dorfbewohner empfinden das Gelände als protzig und völlig fehl am Platze, für Besucher ist es aber durchaus eine Sehenswürdigkeit.

Am Ende des Ausflugs sollte man dann unbedingt zur Gewürzfarm der Familie Zithershpieler fahren, die ihre Gewürze auch in den Gourmetabteilungen deutscher Kaufhof-Filialen und in einem Flagship Store in Düsseldorf unter dem Namen „Spicy Way“ anbieten. Und während man sich dort mit Teesorten, Gewürzmischungen und Delikatessen eindeckt, denkt man an dieses kleine Bethlehem in Galiläa, das so anders ist als das Disneyland-artige Bethlehem bei Jerusalem. Ein Dorf, das keine Touristenattraktion sein will und es doch ist.

Die Templerbauten in Bethlehem Haglilit werden meist von einer Familie bewohnt. Viele verfügen über neuere Anbauten (Bild: KH).
Die Templerbauten in Bethlehem Haglilit werden meist von einer Familie bewohnt. Viele verfügen über neuere Anbauten (Bild: KH).
Das „Haus des Volkes“, eine ehemalige Schule aus der Templerzeit steht heute leer (Bild: KH).
Das „Haus des Volkes“, eine ehemalige Schule aus der Templerzeit steht heute leer (Bild: KH).
Das Café von Nirale befindet sich in einer ausgebauten Scheune, dazu gehören Galerie, Keramikwerkstatt und eine kleine Boutique (Bild: KH).
Das Café von Nirale befindet sich in einer ausgebauten Scheune, dazu gehören Galerie, Keramikwerkstatt und eine kleine Boutique (Bild: KH).
Hinter diesen Türen kann man lernen, wie Seife hergestellt wird (Bild: KH).
Hinter diesen Türen kann man lernen, wie Seife hergestellt wird (Bild: KH).

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Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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