Genauso plötzlich, wie der Krieg mit dem Iran begann, hat er jetzt aufgehört. In der Nacht vom 12. auf den 13. Juni riss erst der Raketenalarm, dann ein nie zuvor gehörter, extrem schriller Warnton auf dem Handy Israelis im ganzen Land aus dem Schlaf: Israel hatte den Iran angegriffen. 12 Tage später, in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni, verkündete der amerikanische Präsident plötzlich einen Waffenstillstand, während die israelische Regierung schwieg und das islamische Regime weiter israelische Städte bombardierte. Vier Menschen wurden bei diesen Angriffen, eine Stunde vor dem angeblichen Waffenstillstand umgebracht – übrigens in ihrem Bunkerzimmer in der Wohnung. Als der Iran selbst nach dem von Trump verkündeten Zeitpunkt für ein Kriegsende weiter Raketen abfeuerte und Israel Gegenschläge ankündigte, trat der US-Präsident in Washington vor die Kameras und verfluchte seinen engsten Partner im Nahen Osten – in einem Ton, wie er einst schon den ukrainischen Präsidenten Selenskyj blossgestellt hatte.
Und dann war plötzlich alles vorbei. Israels Premier verkündete einen „historischen Sieg“, und der Iran bemühte sich, schnell klarzustellen, dass man natürlich vorhabe, weiter an den nuklearen Möglichkeiten zu arbeiten. „Morgen gehts zurück zur Schule“, schrieb jemand im Whatsapp-Chat der Klasse meines Sohnes und in Tel Aviv machten wieder alle Restaurants auf. Ganz Israel hatte 12 Tage lang in Bunkern um sein Leben gebangt, ganz Israel hatte 12 Tage eine Zerstörung zuvor nie gesehenen Ausmasses mit ansehen müssen, ganz Israel hatte, und dass nach anderthalb Jahren Krieg, nochmal ein völlig neues Angstlevel erreicht. Hatte erfahren, dass auch Israels wirklich beeindruckendes Schutzschild nicht alle Gefahren abhalten kann und dass die Bunkerräume in den Wohnungen längst nicht so sicher sind, wie man glauben wollte (zumindest nicht bei direkten Einschlägen einer ballistischen Rakete, so geschehen in zwei separaten Vorfällen im Land).
Was bleibt nach 12 Tagen Krieg ist die Hoffnung, dass man den Iran wenigstens erheblich zurückgeworfen hat in der Planung und Verwirklichung einer Atombombe. Was bleibt, ist das Staunen über die Fähigkeiten des israelischen Militärs, vor allem der Luftwaffe, und darüber, wie tief der israelische Geheimdienst in die iranischen Strukturen eingedrungen ist. Was bleibt, ist, dass man das Worst-Case-Szenario immerhin einmal durchgespielt hat, und sich jetzt nicht mehr mit „Was wäre wenn“-Fragen quälen muss.
Das Worst-Case-Szenario ist wirklich schlimm
Was aber auch bleibt, ist die Gewissheit, dass dieses Worst-Case-Szenario wirklich ganz schön schlimm ist. In mehreren Städten im Zentrum und in Haifa sind ganze Strassenzüge zerstört. In Beerscheva wurde darüber hinaus auch das Krankenhaus extrem hart getroffen, in Rehovot ein wichtiges Krebsforschungszentrum zerstört. Mehrere Quellen der israelischen Streitkräfte bestätigten, dass der Iran beim Raketenangriff auf Beerscheva einen Streubomben-Sprengkopf einsetzte. Streubomben öffnen sich in der Luft und verstreuen Dutzende bis Hunderte kleiner Sprengkörper über ein weites Gebiet. Ausserdem behauptete das islamistische Regime, eine Khorramshahr-4-Rakete beim Beschuss Israels eingesetzt zu haben: Die Khorramshahr-4 ist die schwerste ballistische Rakete des Iran, mit einer Reichweite von 2.000 Kilometern und einem 1.500-Kilo-Sprengkopf. Dass darüber im Rest der Welt kaum jemand sprach, ist eine weitere bittere Enttäuschung, die Israelis nun verdauen müssen. Im Landeszentrum gab es zum Teil vier, fünf Alarme pro Tag, ein ganzes Land ist übermüdet und geschockt.
28 Menschen wurden bei den iranischen Raketenangriffen getötet, Tausende verloren ihr Zuhause. Und auch wenn viele in Israel die Angriffe auf den Iran als notwendig ansahen – die Bedrohung durch Teheran ist seit Jahrzehnten Realität –, wollte niemand, dass dieser Krieg auch nur eine Sekunde länger dauerte, als unbedingt nötig. Und doch wirkt das abrupte Ende auf seine eigene Weise verstörend.
Israel ist Meister in Resilienz. Israel ist Meister darin, nach Terroranschlägen oder Raketenangriffen, am nächsten Tag aufzustehen und weiterzumachen. Die Strassen wieder zu füllen, mit Menschen, die vor allem eins wollen: Leben.
Und das wird Israel auch dieses Mal wieder tun. Schon jetzt kommen mir persönlich die letzten zwölf Tage vor, wie ein schlimmer Fiebertraum. Bin ich erschüttert? Ja. Gebrochen? Auf keinen Fall. Das Weiterleben geht für uns jetzt einher mit dem Weiterkämpfen. Darum, dass Israel ein Ort der Liebe und des Lichts bleibt – trotz der zum Teil extremistischen Regierung. Vor allem aber darum, dass endlich die noch immer in Gaza gefangenen Geiseln nach Hause kommt und dass auch dieser ewige Krieg endlich endet.
