„Dieser professionelle Bericht, der erklärt, wie mit diesen Situationen umgegangen werden sollte, ist ein starkes Instrument, um das schändliche Verhalten der internationalen Gemeinschaft anzuprangern, und kann später für Anklagezwecke relevant sein. Die Veröffentlichung dieser Informationen ist im Wesentlichen Teil der neuen Herausforderungen, die der Terrorismus für die Menschheit darstellt. Diese Geschichte darf unter keinen Umständen ignoriert werden“ – diese Worte der Juristin Prof. Yifat Bitton beschreiben einen neu veröffentlichten Bericht zu den Massenvergewaltigungen am 7. Oktober 2023. Bitton ist Anwältin und hat fast ein Jahr lang über die Sexualdelikte, die am 7. Oktober 2023 von palästinensischen Terroristen während ihres Angriffs auf Israel begangen wurden, recherchiert. Zusammen mit den Staatsanwältinnen Vardit Avitan und Shir Burka sowie der Rechtsanwältin Hodaya Shaked befragte und interviewte sie Dutzende von Menschen, die die schlimmsten Dinge gesehen haben, die man sich vorstellen kann.
Die Ergebnisse haben die Frauen in einem umfassenden und detaillierten Bericht über Sexualdelikte vom 7. Oktober festgehalten. Den Bericht haben die Juristinnen in ihrer freien Zeit und mit bescheidenen Mitteln von zwei Stiftungen erstellt. Auf fast 100 Seiten, verfügbar in Hebräisch und Englisch, beleuchten die Expertinnen sowohl das Ausmass sexueller Missbräuche als auch die Herausforderungen bei deren Diagnose.
Die Ersthelfer waren nicht vorbereitet
Der Bericht zeigt deutlich, wie wenig die Ersthelfer (u.a. Zaka, Polizei, Grenzpolizei, Armee und Ärzte) am 7. Oktober vorbereitet waren, auf das Ausmass des Massakers, vor allem aber auf die vielen sexuellen Missbrauchsfälle. Viele Fälle wurden nicht dokumentiert, oder aus Respekt vor der Privatsphäre der Opfer sogar verborgen. So bekleideten manche Ersthelfer tote Frauen, die entkleidet gefunden worden waren oder veränderten ihre Fundposition, um den Opfern einen letzten Rest Würde zu bewahren. Ausserdem wurden viele Beweisstücke wie benutzte Kondome oder zerrissene Kleidung einfach beseitigt.
Dr. Naama Samet, Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, die seit 15 Jahren ehrenamtlich in der Abteilung für Opferidentifizierung der israelischen Streitkräfte tätig ist, antwortet auf die Frage, ob die Untersuchungen der Leichen angepasst wurden, nachdem es erste Hinweise auf sexuellen Missbrauch gab: „Nein. Dafür war keine Zeit. Irgendwann verschliesst man sich, um überhaupt durchhalten zu können. Ich erinnere mich an zwei verbrannte Leichen, deren Beine gespreizt waren. Wir wollten die Leichen so schnell wie möglich identifizieren, nicht herausfinden, was mit ihnen geschehen war. Das war ein Fehler, aber es hätte Monate gedauert, wenn wir anders gehandelt hätten. Es gab dort schreckliche Geschichten.“
Andere Prioritäten
Die Rechts- und Sicherheitsexpertin Shir Burka, die seit über einem Jahrzehnt als Kommandantin in einer Gaza-Division tätig ist, wurde am Nachmittag des 7. Oktober in den improvisierten Kriegsraum der Northern Brigade im Süden des Landes gerufen. „Als Offizierin im War Room erlebte ich das enorme Chaos vor Ort in den ersten Tagen nach dem Angriff aus erster Hand. Unsere Prioritäten waren klar: Menschenleben schützen, Tote und Verwundete evakuieren und sich auf einen Angriff vorbereiten. Zu keinem Zeitpunkt wurden wir über sexuelle Übergriffe informiert.“
In ihrem Bericht präsentieren Bitton und ihre Kolleginnen viele neue Erkenntnisse. Erstens: Die Hindernisse bei der Sammlung und Dokumentation von Beweisen für Sexualdelikte sind darauf zurückzuführen, dass es sich hierbei um eine völlig andere Art von Angriff handelt. Und zweitens: Es könnte durchaus wieder passieren.
Die Ermittlerinnen bezeichneten den Terroranschlag vom 7. Oktober als „invasiven Vorfall“. Bitton sagt: „Dieser kurzfristige Angriff auf das Land eines souveränen westlichen Staates ist einzigartig. Es handelte sich um einen terroristischen Vorfall, um Eindringlinge, die auf dem Gebiet umherwanderten, Zerstörung anrichteten und dann verschwanden.“ Sie fügt hinzu, dass die Gefahr besteht, dass solche Angriffe auch woanders auf der Welt wiederholt werden könnten.
„Es ist von entscheidender Bedeutung, dass der Staat diesen Bericht annimmt, die darin erwähnten Stellen lesen, verstehen, was in ihrer Arbeit fehlt, und entsprechende Korrekturen vornehmen.“