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Fast 100 Tage in Gefangenschaft: Familien der Geiseln fordern ihre Rückkehr

in Israel Zwischenzeilen/Leben, Kultur & Sport

Angehörige der mehr als 100 Geiseln, die sich immer noch in Gaza in Gefangenschaft befinden, fordern weiterhin ihre Freilassung. In dieser Woche ist wie immer am Samstagabend eine Demonstration am so genannten Platz der Geiseln vor dem Tel Aviver Kunstmuseum geplant. Anlässlich fast 100 Tagen in Gefangenschaft werden verschiedene besondere Aktionen für den Samstagabend geplant, u.a. soll eine Tunnelattrappe aufgebaut werden, anhand derer Besucher kurz nachempfinden können, was es bedeutet, in einem Tunnel gefangen zu sein. Bis zu 50.000 Menschen werden am Samstagabend in Tel Aviv erwartet, um die Forderungen nach der Rückkehr der Geiseln zu unterstützen.

Immer noch gefangen in Gaza – Poster von israelischen Geiseln in Tel Aviv (Bild: KHC).

Währenddessen reisten in der vergangenen Woche die Familien von sechs israelischen Geiseln, die von der Hamas festgehalten werden, nach Doha, wo auch Hamas-Führer leben, um sich dort mit Vertretern der katarischen Regierung zu treffen.

„Wir haben uns mit dem katarischen Premierminister getroffen“, erklärte Daniel Lifshitz, Enkel der Geisel Oded Lifshitz, „Es war wichtig für sie, die Perspektive der Familien der Geiseln direkt zu hören. Die Schlüsselbotschaft, die uns bei dem Treffen vermittelt wurde, ist, dass ein Waffenstillstand die Verhandlungen zur Freilassung aller Geiseln beschleunigen wird.“

Die Hamas hat öffentlich erklärt, dass sie über die 105 im November freigelassenen Geiseln hinaus keine weiteren freilassen wird, es sei denn, Israel beendet den Krieg vollständig. Die israelische Regierung weigert sich jedoch bisher, die Kämpfe ohne konkrete Abmachung zu unterbrechen. Verteidigungsminister Yoav Gallant betonte in seinen Treffen mit Angehörigen der Geiseln, dass die Militäroperation erst dann beendet wird, wenn die Geiseln zurückgebracht werden.

Die Familien der Geiseln hoffen nun darauf, dass der Besuch von US-Aussenminister Antony Blinken Bewegung in die Verhandlungen bringt. Nach Angaben aus israelischen Sicherheitskreisen befinden sich viele Geiseln aktuell in unmittelbarer Nähe zu Hamas-Führer Yahya Sinwar, dieser benutze sie als menschliche Schutzschilde, da die israelische Armee mittlerweile genau wisse, wo er sich befinde.

„Bringt sie nach Hause“ – der Aufruf als Lichtinstallation an der israelischen Philharmonie (Bild: KHC).

Für die Angehörigen der Geiseln ist jeder weitere Tag eine Qual. Romi Cohen, deren Zwillingsbruder Nimrod im Gazastreifen gefangen gehalten wird, beschreibt die unfassbare Sorge um ihren Bruder: „Er leidet unter Hunger, Kälte, Schlafentzug und einem psychologischen Trauma. Mit 19 Jahren ist er noch ein Kind, sein Leben hat gerade erst begonnen. Es ist unzumutbar, dass er in Gefangenschaft ist. Ich gehe an seinem leeren Zimmer vorbei und breche zusammen, weil er nicht hier ist. Wie wird die Zukunft des Staates Israel aussehen, wenn er und die anderen Entführten nicht hier sind? Welches Gefühl der Sicherheit bleibt mir, wenn ich jeden Morgen mit dieser schrecklichen Realität aufwache? Wer wird mir versichern, dass so etwas nicht wieder passieren wird? Mit der Zeit fürchte ich, dass die Menschen sie vergessen und die Geiseln nicht aus dieser Hölle retten. Lasst sie dort nicht allein. Ihre Zeit läuft ab.“

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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