Wer an israelische Hochzeiten denkt, dem kommen der Chuppa-Baldachin, zertretene Weingläser und Hora-Tänze in den Sinn. Hochzeiten in Israel verfügen aber ausserdem noch über eine andere Besonderheit: Sie laufen nämlich wie Crowdfunding-Kampagnen ab: Die Gäste bringen Geldgeschenke und finanzieren so nicht nur das Event für das Brautpaar, manchmal reicht es auch noch für die Flitterwochen. Stolze 96 Prozent der Israelis geben ausschliesslich Bares – dabei gibt es klare Regeln, wer wie viel bekommt…
Von Katharina Höftmann
Immer wenn wir zu einer Hochzeit von Familienmitgliedern, Freunden oder Bekannten eingeladen sind, macht mein israelischer Mann vorher das Gleiche: Er öffnet eine Excel-Liste auf seinem Computer und prüft, wie viel Geld uns das betreffende Paar geschenkt hat, als wir vor einigen Jahren geheiratet haben. Das mag befremdlich scheinen, ist in Israel aber völlig normal. Genauso wie die Tatsache, dass vor jedem Hochzeitssaal ein bewachter Tresor steht – mit Einwurfschlitz für den Umschlag voller Scheine oder Checks. Neuerdings können Gäste ihr Cash-Geschenk sogar direkt mit Kreditkarte bezahlen.
Nach einer Umfrage des Onlineportals Globes geben 96 Prozent der Israelis zu Hochzeiten Geldgeschenke. Mehr als ein Drittel der Israelis bezahlen jährlich allein für Hochzeiten zwischen 1000 und 3000 Schekel (ca. 227- 680 Euro, 250-745 CHF), im Durchschnitt 400 Schekel (ca. 90 Euro, 100 CHF) pro Eheschliessung. Unglaubliche 9 Milliarden Schekel (etwa 2 Milliarden Euro, 2,2 Milliarden CHF) wechseln jährlich für Anlässe wie Hochzeit, Bar- und Bat Mizwa (Konfirmation) und Brit Mila (Beschneidungszeremonie) den Besitzer.
Klare Regeln, wie viel Geld verschenkt wird
Dabei gibt es ganz klare Regeln, wie viel Geld man schenkt. Der erste Aspekt ist, wie eingangs beschrieben, was man ggf. zu der eigenen Hochzeit von Gastgebern bekommen hat. Ausserdem hängt die Summe davon ab, wie nah man der Person steht (Familienmitglieder bekommen in der Regel deutlich mehr als Kollegen), ob man alleine oder mit Begleitung kommt und sogar, wie viele Events das Paar zuvor schon gefeiert hat. „Eine Freundin von mir hat neulich die Brit Mila gefeiert und ich war mir sicher, dass sie und ihr Partner nicht heiraten würden, also habe ich den beiden ein extra grosszügiges Geschenk gemacht. Gestern habe ich eine Einladung zur Hochzeit bekommen. So ein Mist“, erzählte mir neulich ein Freund. Eine andere Bekannte wiederum schmeisst sogar zwei Hochzeiten für ihren Sohn, um alle Freunde einladen zu können, bei deren Kindern sie einst viel Geld als Hochzeitsgeschenk gelassen hat. So wandert das Geld im Prinzip wie ein Minikredit zwischen Familien hin und her.
Heiraten ist in Israel, wie in vielen anderen Ländern auch, ein riesiges Business – nicht nur, weil eine Hochzeit mit allem Drum und Dran, dazu gehört unter anderem ein ausführliches Fotoshooting im Vorfeld des Events, eben gut zwischen 100.000 und 140.000 Schekel (ca. 23.000 -32.000 Euro, 25.000-35.000 CHF) kostet. Israelis haben grosse Familien und Freundeskreise, ausserdem laden die Eltern des Brautpaares meist noch ihre eigenen Freunde ein – eine Hochzeit mit 100-200 Gästen gilt in Israel als eher klein. Und es kommt schon einmal vor, dass man bei einem Event zur Eheschliessung einer von 1000 Gästen ist. Dabei gilt: Je grösser das Event, desto preiswerter die Pro-Kopf-Kosten und desto höher die Gewinnaussichten. Viele Paare veranstalten eine extra grosse Hochzeit, um am Ende des Abends mit einem Plus nach Hause zu gehen, das sie in ein neues Auto, die Hochzeitsreise oder sogar eine Eigentumswohnung investieren. In erster Linie jedoch sollen die Geldgeschenke die Kosten der Hochzeit decken.
Geld in den Umschlag und fertig – Grusskarten sind überflüssig
Für Juden, die nicht in Israel aufgewachsen sind, aber aus emotionalen Gründen im Land heiraten wollen, kann diese Vorgehensweise schon mal befremdlich sein: „Ein guter Freund von mir ist zu unserer Hochzeit in Tel Aviv nicht gekommen, weil er es sich schlichtweg nicht leisten konnte“, berichtet Deborah, die ursprünglich aus München kommt, enttäuscht. Während es Deborah lieber gewesen wäre, dass der betreffende Freund ihr gar nichts geschenkt, aber immerhin gekommen wäre, fassen es viele Israelis als Beleidigung auf, wenn man die klaren „Geber-Regeln“ nicht einhält.
Während in Ländern wie Deutschland oder der Schweiz kleinere Geldbeträge liebevoll verpackt, ja geradezu versteckt, werden – machen sich viele Israelis oft nicht einmal die Mühe, noch eine Grusskarte zu schreiben. Geld in den Umschlag, Name und ein kurzer Gruss drauf – fertig. Darüber würde sich aber kein Israeli jemals ärgern. Viel schlimmer ist, wenn jemand viel zu wenig Geld gibt, obwohl die Person mit Frau und Kind im Schlepptau an der Hochzeit teilgenommen hat. Ein zu grosses Geldgeschenk kann manchmal aber genauso ärgerlich sein – immerhin muss das alles zurückbezahlt werden, wenn die anderen dann mal heiraten…
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