MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Leben mit der Tragödie

in Israel Zwischenzeilen/Leben, Kultur & Sport

Avital Dekel-Chen und Ela Haimi wurden unter denkbar härtesten Umständen Mütter: Ihre Kinder kamen zur Welt, nachdem ihre Ehemänner am 7. Oktober 2023 entweder getötet oder als Geiseln verschleppt worden waren. Im Gespräch mit der Times of Israel berichten sie, wie sie als alleinerziehende Mütter den Alltag zwischen Trauma, Ungewissheit und nationalem Schmerz bewältigen.

Zwei Monate nach der Entführung ihres Mannes Sagui Dekel-Chen durch Hamas-Terroristen brachte Avital ihre dritte Tochter zur Welt – in einem Krankenhaus in Eilat, wohin ihre Kibbuz-Gemeinschaft nach dem Massaker evakuiert worden war. Sie war zu diesem Zeitpunkt eine von vier schwangeren Frauen, deren Partner am 7. Oktober getötet oder verschleppt wurden.

Der Alltag hielt sie aufrecht

Während sie ihre Kinder zur Welt brachten, kämpften alle vier Frauen darum, ihre Familien im Ausnahmezustand zusammenzuhalten. Drei von ihnen – Ela Haimi, Michal Lubanov und Sigal Yehoud – verloren ihre Ehemänner. Nur Avital wurde später mit ihrem Mann wiedervereint: Sagui kam im Februar während einer Waffenruhe frei.
„Einer der schwersten Momente war, mit einem Neugeborenen in Eilat zu sein – und zu sehen, wie andere das Baby im Arm hielten, nur Sagui nicht“, erinnert sich Avital Dekel-Chen.

Beide Frauen berichten, dass es letztlich der Alltag war, der sie in den Monaten der Ungewissheit aufrecht hielt: Sie mussten ihre Kinder versorgen, beruflich funktionieren – und gleichzeitig alles daransetzen, ihre Männer nach Hause zu bringen, lebend oder tot.

Ela Haimi fürchtet, dass die Leiche ihres Mannes Tals niemals zurückgebracht wird – für eine würdige Beerdigung, dass sie misshandelt wird oder sogar für immer verschwindet. „Fast zwei Jahre sind vergangen, und das ist zu lang – für uns, für unsere Kinder, für alle Geiseln“, sagt sie.

Ela Haimi mit ihren vier Kindern, darunter Baby Lotan, der geboren wurde, nachdem Elas Ehemann Tal am 7. Oktober 2023 bei der Verteidigung ihres Kibbuz getötet und seine Leiche nach Gaza entführt worden war (Nir Davidzon/IDFWO).

Haimi hofft, irgendwann in ihr Zuhause in Nir Yitzhak zurückzukehren, das sie gemeinsam mit Tal gebaut hat, dessen Familie seit drei Generationen im Kibbuz lebt. Sie möchte, dass ihre vier Kinder das Leben dort mit seiner vertrauten Routine fortführen und die Gemeinschaft sie weiterhin mit Liebe und Unterstützung umgibt.

„Sie müssen Menschen um sich herum sehen, die wollen, dass sie glücklich sind, nicht nur wegen dem, was passiert ist“, sagte Haimi. „Ich versuche, ihnen Lebenserfahrungen und Freude zu vermitteln. Wir wollen nicht mehr das Leben, das wir am 6. Oktober hatten, wir wollen eine andere Situation, in der es für beide Seiten zu 100 Prozent ruhig und friedlich ist.“
Avital Dekel-Chens Mann ist inzwischen aus der Gefangenschaft zurückgekehrt. Mit Unterstützung einer Psychologin arbeitet die Familie daran, Sagui als Vater wieder vollständig ins Leben der Kinder einzubinden. Ihre kleinste Tochter, die ihren Vater nun erst kennenlernt, begleitet ihn dabei überall hin. „Es klappt sehr gut“, erzählt Dekel-Chen. „Von Anfang an hat sie ihm einfach ihre Arme geöffnet.“

Sagui Dekel-Chen mit seinen Töchtern, die kleine wurde geboren, während er in Hamas-Gefangenschaft war (Bild: Privat).

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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