MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Keine Hoffnung auf Waffenstillstand

in Israel Zwischenzeilen/Leben, Kultur & Sport

Die Chancen, dass auf der Grundlage letzten Vorschlags vom Mai ein stufenweises Geisel- und Waffenstillstandsabkommen zustande kommt, seien „nahe Null“, und unter den israelischen Unterhändlern herrsche „sehr breiter Pessimismus.“ Das berichtete der israelische Fernsehsender Channel 12 am Sonntag unter Berufung auf ungenannte Quellen im israelischen Sicherheitsapparat.

Erst hatte Israels Premier die Verhandlungen mit seiner Forderung zur Armeepräsenz im Grenzgebiet zwischen Gaza und Ägypten aufgehalten (die Notwendigkeit dafür wurde mittlerweile von unzähligen Experten, inklusive des israelischen Verteidigungsministers widerlegt). Jetzt torpediert die Hamas die Verhandlungen mit neuen Forderungen nach der Freilassung von Gefangenen, die in israelischen Gefängnissen lebenslange Haftstrafen verbüssen, im Austausch für die seit dem 7. Oktober festgehaltenen Geiseln.
Die Biden-Administration habe Ägypten und Katar inständig gebeten, die Hamas zu drängen, von ihren jüngsten Forderungen Abstand zu nehmen, so eine anonyme Quelle.
Währenddessen haben die Familien der Geiseln und ihre Verbündeten seit dem 1. September fast jede Nacht Demonstrationen abgehalten, auf denen sie eine Einigung forderten und der israelischen Regierung zunehmend vorwarfen, starre Forderungen und angeblich persönliche politische Erwägungen über das Leben der Geiseln zu stellen. Am vergangenen Samstag gingen mehr als eine halbe Million Menschen im ganzen Land auf die Strasse.

„Entschuldigung“ und „Wir sind alle Geiseln bis sie zurückkehren“ steht auf den Protest-Postern in Tel Aviv am 3. September (Bild: KHC).

Die Proteste haben sich vor allem intensiviert, nachdem sechs Geiseln in Gaza von der Hamas hingerichtet wurden. Hersh Goldberg-Polin, Ori Danino, Eden Yerushalmi, Almog Sarusi, Alexander Lobanov und Carmel Gat wurden von der Armee etwa einen Tag nach ihrer Ermordung in einem Tunnel unter Rafah gefunden.

Gerichtsmedizinische Untersuchungen und ein Bericht der israelischen Armee zeigten auf, dass einige der sechs ermordeten Geiseln vor ihrem Tod mit den Hamas-Terroristen gekämpft hatten. Die jungen Männer haben wahrscheinlich versucht, die jungen Frauen zu schützen. Die sechs, die bis auf Carmel Gat alle vom Nova-Festival entführt wurden, wurden bis zu ihrer Hinrichtung in einem kleinen und sehr engen Tunnel festgehalten, der kaum die Breite von zwei Personen hatte und zu niedrig war, um aufrecht stehen zu können. Es gab keine Lüftungsöffnungen, und die Geiseln hatten Probleme zu atmen. In dem Tunnel gab es weder Toiletten noch Duschen. Die Geiseln wuschen sich mit Wasser aus den Flaschen, aus denen sie tranken. Es gab einen Generator und eine kleine Taschenlampe, die nicht immer funktionierte, ein Schachspiel, Schreibutensilien und Notizblöcke. Die IDF hat die Notizblöcke an die jeweiligen Familien übergeben, so ein Bericht von Channel 12.

Im Tunnel wurden Proteinriegel gefunden, aber die Geiseln hatten nur sehr wenig zu essen und verloren so viel Gewicht, dass beispielsweise Eden Yerushalmi vor ihrer Ermordung nur noch 36 Kilogramm wog.

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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