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Verhandlungen um Geiseldeal gehen in nächste Runde

in Israel Zwischenzeilen/Leben, Kultur & Sport

In Israel gingen am Sonntag wieder tausende Demonstranten auf die Strasse, um für einen Geiseldeal mit der Hamas zu protestieren. Der landesweit ausgerufene Demonstrationstag markierte neun Monate seit dem 7. Oktober. Demonstranten blockierten ausserdem Autobahnen und hielten Kundgebungen vor den Häusern von Regierungsministern ab.
Währenddessen verhandelt eine israelische Delegation wiederum in Doha um einen Geiseldeal und Waffenstillstand. Die Hamas hatte sich in dieser letzten Runde etwas verhandlungsbereiter gezeigt als sonst. Allerdings fürchteten viele Vertreter des Forums der Geiselfamilien, dass Israels Premier dieser Verhandlungsbereitschaft nicht positiv begegnen wird. Und prompt kam am Sonntagabend eine Erklärung des Büros des Premierministers (PMO) zu den „roten Linien“ Israels, die auf viel Kritik stiess, auch aus den Reihen der Regierung.

Demonstranten am 7. Juli in Tel Aviv (Bild: KHC).

Die Medienseite Ynet merkte an, dass die Ankündigung des israelischen Staatschefs vor einer Lagebeurteilung mit dem Verteidigungsminister und anderen Militärs erfolgte und ohne vorherige Absprache oder Konsultation zustande kam. Der Verteidigungsminister sowie weitere hohe Vertreter der israelischen Armee hatten zuletzt immer dringender ein Abkommen und einen damit verbundenen Waffenstillstand gefordert. Auch weil der Tribut für Israel immer höher wird: Seit Beginn des Gaza-Krieges vor neun Monaten wurden 9.250 Soldaten verwundet, das teilte das Verteidigungsministerium am Dienstag mit. Mehr als 320 Soldaten sind seit dem 7. Oktober gefallen.

Siebzig Prozent der Verwundeten sind Reservisten, während 30 Prozent entweder Wehrpflichtige oder Berufsoffiziere sind. Etwa die Hälfte der Verletzten ist unter 30 Jahre alt. Etwa 35 Prozent der Soldaten klagen über seelische Schäden, häufig über eine posttraumatische Belastungsstörung.

Das Leben der Geiseln steht auf dem Spiel

Auch die Situation im Norden Israels wäre mit einem möglichen Abkommen verbunden, da die Hisbollah angekündigt hat, ihre Kriegshandlungen einzustellen, sollte ein solches Abkommen mit der Hamas zustande kommen.
Das Leben der Geiseln steht auf dem Spiel
Nicht zuletzt steht das Leben der noch in Gaza verbleibenden Geiseln auf dem Spiel. Jeder weitere Tag in Gefangenschaft ist für sie und ihre Familie unerträglich. „Wir befinden uns in einem kritischen Moment der Verhandlungen, das Leben der Geiseln hängt davon ab, warum also solche provokativen Botschaften veröffentlichen? Was trägt das zum Prozess bei?“, fragte Oppositionsführer Yair Lapid in einem Post bei X.

Bei der Demonstration in Tel Aviv ahnten viele Teilnehmenden schon, dass der israelische Premierminister wie in der Vergangenheit die Verhandlungen um ein Abkommen eher erschweren als erleichtern würde. Für den Regierungschef steht in erster Linie seine Macht auf dem Spiel: Ein Teil seiner Regierungskoalition ist gegen einen Geiseldeal. Sollte dieser zustande kommen, wird die Regierungskoalition mit grosser Wahrscheinlichkeit zerbrechen.

In Tel Aviv sprach Einav Zangauker, deren Sohn Matan im Gazastreifen gefangen gehalten wird, aus einem Käfig, der von der Brücke auf der Begin-Strasse hing, zu den Demonstranten: „Es liegt ein Deal auf dem Tisch, der Leben retten kann, und zwar das Leben von uns allen. Ich will, dass Matan nach Hause kommt, ich will, dass alle Geiseln jetzt nach Hause kommen. Ich möchte Netanjahu sagen: Die Schlüssel zu diesem Käfig und allen anderen Käfigen liegen in Ihren Händen. Neun Monate lang haben Sie die Geiseln im Stich gelassen. Netanjahu – hören Sie auf, den Deal zu verzögern. Wir wollen sie zu Hause haben, und es liegt an Ihnen, sie nach Hause zu bringen.“

Einav Zangauker spricht aus einem Käfig zu den Demonstranten (Bild: KHC)

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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