Rund ein halbes Jahr nach den verheerenden Angriffen der Hamas auf Israel und nachdem unzählige Israelis aus Sicherheitsgründen ihr Zuhause verlassen mussten, leben immer noch etwa 60.000 Menschen als Evakuierte, zumeist in staatlich finanzierten Hotels. Ein Grossteil der Binnenflüchtlinge kommt aus dem Norden Israels, wo die Hisbollah Tausende von Raketen aus dem Libanon abfeuert. Etwa 6.350 Evakuierte stammen aus dem Grenzgebiet zu Gaza. Sie warten darauf, sich den etwa 2.000 Evakuierten anzuschliessen, die die Hotels bereits verlassen haben, um vorübergehend in Gemeinden unterzukommen, wie die Bewohner des Kibbuz Nir Oz, die in einem Apartmentkomplex in Kiryat Gat leben, und die Bevölkerung von Nahal Oz, die vom Kibbuz Mishmar Ha’emek bei Haifa aufgenommen wurde.
Das israelische Tourismusministerium hat 3,2 Milliarden Schekel (rund 800 Millionen Euro/CHF) an Hotels für die Unterbringung von Evakuierten gezahlt und etwa 2 Milliarden Schekel (rund 500 Millionen Euro/CHF) über das Nationale Versicherungsinstitut an etwa 100.000 Evakuierte, die sich eigenständig Unterkünfte besorgt haben.
Die Evakuierten können zwischen drei Varianten wählen:
1. Hotel: Vollpension. Essen, Unterkunft, Reinigung, Wäsche usw.
2. Unabhängiges Wohnen in der Gemeinde – Evakuierte erhalten einen Zuschuss von 200 NIS pro Erwachsenem und 100 NIS pro Kind pro Tag. Diese Option unterstützt die Evakuierten bei der Anmietung einer Wohnung. Nach Angaben des Ministeriums haben sich die meisten Evakuierten für diesen Weg entschieden.
3. Der Staat mietet Wohnungen für die Evakuierten, gewährt aber keine Unterhaltsbeihilfe. Infolgedessen haben nur einige Tausend Evakuierte diese Möglichkeit gewählt.
Rund 70 Prozent der Evakuierten aus dem Süden sind zurück
Rund 70 Prozent der Menschen, die das betroffene Gebiet an der Grenze zu Gaza verlassen haben, sind bereits in ihre Häuser, insofern sie noch existierten, zurückgekehrt, und nur eine Handvoll Ortschaften ist unbewohnt, wie die Regierung am Sonntag mitteilte.
Von den rund 57.000 Menschen, die am 29. Februar als Evakuierte aus dem Süden eingestuft worden waren, leben nun mindestens 40.150 Einwohner, darunter allein rund 23.000 aus Sderot, in ihren Gemeinden, die weniger als 7 Kilometer von der Grenze entfernt liegen. Das gab die Behörde für den Wiederaufbau des betroffenen, an den Gazastreifen angrenzenden Gebiets in einer kürzlichen Erklärung an.
Die israelische Regierung hat den Juli als Frist festgelegt, nach der sie für die meisten Evakuierten aus dem Süden keine Unterkünfte mehr bereitstellen wird. Die Evakuierten aus dem Norden bleiben jedoch auf unbestimmte Zeit evakuiert. Bis jetzt gibt es immer wieder weitreichende Kritik am Umgang der Regierung mit den Evakuierten, extrem viel Hilfe wurde durch Freiwilligenarbeit geleistet. Einige Organisationen und viele Privatleute mussten auffangen, was der israelische Staat nicht leistete. Auch die Frist für die Aufenthalte in Hotels wurde erst dann von Mai auf Juli verschoben, als es heftige Kritik von den Bürgermeistern aus den südlichen Gemeinden gab.
Für viele Evakuierte ist dieses Leben in Hotels aber natürlich auch keine langfristige Lösung.
Hotelleben ist auf Dauer schwierig
„Ein Hotel ist ein guter Ort, um Urlaub zu machen, aber ein ziemlich trostloser Ort, um langfristig zu leben“, erzählt einer der Betroffenen, der 60-Jährige Benny Hason dem Medium Times of Israel. Hason fährt jeden Tag etwa 1,5 Stunden zu seiner Hühnerfarm in Kissufim. Er ist einer der wenigen Einheimischen, die regelmässig in das Dorf Kissufim kommen, das durch die Kämpfe mit der Hamas zu sehr beschädigt ist, um wieder besiedelt werden zu können, und das zudem Gefahr läuft, vom nur 2 km entfernten Gazastreifen aus beschossen zu werden.
Die Schwierigkeiten des Lebens im Hotel und die Verbundenheit mit ihren Gemeinden und eine Wiederbevölkerungshilfe von etwa 15.000 NIS (3.740 Euro, 3.674 CHF) pro Erwachsenen haben die meisten Evakuierten aus dem Süden dazu veranlasst, nach Hause zurückzukehren. Und das, obwohl die Hamas immer noch Raketen auf den Süden Israels schiesst.
Das Dorf Kissufim gehört zusammen mit Be’eri, Kfar Aza, Nativ Ha’asara und Nir Oz zu den 13 so genannten „roten Orten“, die entweder bei dem Angriff im Oktober zu stark beschädigt wurden oder immer noch als zu riskant gelten, um sie vorläufig wieder zu besiedeln.
Für die evakuierten Israelis aus dem Norden des Landes ist die Situation aktuell immer noch ähnlich hoffnungslos: Der Krieg im Norden, so die Einschätzung vieler Militärexperten, habe noch immer nicht einmal richtig angefangen.