In einem neuen Fernsehspot einer grossen Freiwilligenorganisation, die seit dem 7. Oktober fast eigenhändig die vielen Binnenflüchtlinge im Land versorgt, wird seit einigen Tagen mit Nachdruck zu Neuwahlen in Israel aufgerufen. Auch eine Kampagne mit Anzeigen an Bushaltestellen ruft zu einem politischen Umschwung auf „Wir brauchen Wahlen! Zusammen, von Anfang an.“ Wer die Anzeigen geschaltet hat, ist unklar. Kürzlich hatte sich darüber hinaus Gadi Eisenkot, ehemaliger Armeechef und Mitglied des aktuellen so genannten Kriegskabinetts eindeutig zu Wort gemeldet: Dabei räumte der Ex-General, dessen Sohn erst im Dezember als Soldat im aktuellen Gaza-Krieg fiel, ein, dass die israelische Führung ihren Bürgern nicht die Wahrheit über den Krieg sagt, Eisenkot forderte ein schnelles Vorankommen eines Geiselabkommens, selbst zu einem hohen Preis, und schlug vor, innerhalb weniger Monate vorgezogene Parlamentswahlen abzuhalten.
Währenddessen wächst auch die Unzufriedenheit im Volk. Seit einigen Wochen finden wieder regelmässig Proteste gegen die Regierung statt. Nachdem z.T. hunderttausende Israelis monatelang gegen die Justizreform auf die Strasse gegangen waren, hatten sich viele dieser Demonstranten nach dem 7. Oktober der Bewegung für die Freilassung der Geiseln angeschlossen. Mehr und mehr kehren die Proteste aber auch gegen die Regierung und vor allem gegen den israelischen Premierminister zurück.
Anfang der Woche hat die Polizei Dutzende von regierungskritischen Demonstranten gewaltsam auseinandergetrieben, die den Zugang zur Knesset in Jerusalem blockierten. Rund 100 Menschen hatten sich vor dem Parlamentsgebäude versammelt, um Neuwahlen und die Absetzung des israelischen Premiers nach mehr als drei Monaten Krieg zu fordern. Sie warfen seiner Regierung vor, der Befreiung der 132 Geiseln, die am 7. Oktober entführt wurden und im Gazastreifen gefangen gehalten werden, keine Priorität einzuräumen.
In einer aktuellen Umfrage des Senders Kanal 13 gaben 53 Prozent der Befragten an, dass sie glaubten, der israelische Regierungschef fälle Kriegsentscheidungen nur in Bezug auf seine persönlichen Interessen.
Der israelische Premier hat währenddessen seine Verantwortung für die Hamas-Massaker an über tausend israelischen Zivilisten am und nach dem 7. Oktober, bestritten. An einen Rücktritt, so die Erklärung vor etwa zwei Wochen, denke er nicht.