MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Arabische Geschäfte leiden auch unter Krieg

in Israel Zwischenzeilen/Medizin & Wissenschaft

Seit Beginn des Krieges mit der Hamas im Gazastreifen haben die meisten Unternehmen in den arabischen Städten einen grossen Teil ihrer Gewinne verloren, und einige entlassen bereits Mitarbeiter oder müssen schliessen. Das zeigt ein Bericht des Nachrichtenportals Ynet. In Abu Gosh, einer arabischen Stadt ausserhalb Jerusalems, die eigentlich bei jüdischen Touristen sehr beliebt ist, berichten Bewohner und Händler beispielsweise, dass sie ihre Arbeit verloren haben und erhebliche Einkommensverluste hinnehmen müssen.

Das Restaurant Abu Gosh im gleichnamigen Ort in der Nähe von Jerusalem (Bild: KHC).

„In den letzten Monaten sind die Umsätze um 90 Prozent zurückgegangen“, erklärt Javad Ibrahim, Besitzer des Restaurants „Abu Gosh“. „Wir haben das Restaurant bereits wegen Corona mit grossen Verlusten schliessen müssen, und jetzt verlieren wir erneut wegen des anhaltenden Krieges. Wir haben sogar die Zahl der Angestellten von 10 auf nur vier reduziert, aber die Einnahmen reichen trotzdem noch nicht für die täglichen Ausgaben. Wenn es so weitergeht, wird der Schaden unerträglich sein.“

Die jüdische Kundschaft traut sich nicht mehr in arabische Städte

Auch das Reifengeschäft Tik Tok in der arabischen Stadt Kfar Qasim leidet unter ausbleibender jüdischer Kundschaft. „Ich musste die Zahl der Mitarbeiter reduzieren“, sagt Inhaber Abed Issa. „Unsere Arbeit ging um fast 100 Prozent zurück, nachdem die Juden zu Beginn des Krieges nicht mehr zu uns kamen. Seitdem rufen sie mich an und erkundigen sich nach der Situation, und ich versuche ihnen zu vermitteln, dass es nicht gefährlich ist, nach Kfar Qasim zu kommen – aber es gibt immer noch viele, die nicht kommen.“

Jad Ziad, der eine Autowaschanlage im arabischen Baqa al-Gharbia betreibt, bekommt keine Aufträge mehr von Juden. „Vor dem Krieg kam ich in die jüdischen Städte und holte die Autos der Leute zum Waschen zu mir und brachte sie wieder zu ihren Besitzern zurück. Das war ein täglicher Job, aber seit Beginn des Krieges haben sie mich gebeten, nicht mehr zu kommen, vielleicht weil ich Araber bin. Das vermittelt den Eindruck, als seien die Araber Feinde, obwohl wir in Koexistenz und Frieden leben und niemandem etwas zuleide tun wollen.“

Nach den Geschehnissen des 7. Oktobers und mit dem Wissen, dass einige der Terroristen zuvor in Israel gearbeitet und dabei Informationen gesammelt hatten, ist das Vertrauen zwischen jüdischen und arabischen Bürgern im Land tief beschädigt. Die Juden trauen sich nicht in die arabischen Städte und umgekehrt.

Auch an Universitäten gibt es Spannungen

„Früher bin ich oft nach Netanja gefahren, um dort einzukaufen und zu essen“, erzählt Abdelrahim Masarwa, ein Bewohner der arabischen Stadt Taiba. „Seit Beginn des Krieges bin ich wegen der angespannten Atmosphäre nicht mehr bereit, dorthin zu fahren.“

L., eine Frau aus dem arabischen Tira, sagt, dass sie früher oft in den zentralisraelischen Städten Ra’anana und Kfar Saba einkaufte, die in der Nähe ihres Wohnortes liegen. „Seit Beginn des Krieges ziehe ich es vor, hier in meiner Gemeinde einzukaufen… Ich möchte wieder zur Normalität zurückkehren, aber das wird wohl einige Zeit in Anspruch nehmen. Ein solches Ereignis ist etwas, das den Beziehungen schadet.“

Währenddessen sind die Spannungen auch an den Universitäten im Land gross. Nach Angaben von Adalah, einer arabischen israelischen gemeinnützigen Rechtsorganisation, wurden gegen mehr als 100 arabische Studenten Disziplinarverfahren eingeleitet, weil sie in den sozialen Medien Beiträge über den Krieg veröffentlicht hatten, die als Hetze empfunden wurden; mindestens acht von ihnen wurden von der Schule verwiesen. In Netanja mussten Ende Oktober mehrere arabische Studierende aus den Wohnheimen des Netanja Academic College evakuiert werden, nachdem jüdische Bewohner draussen randaliert und „Tod den Arabern“ gerufen hatten.

Laut einer im November von der Edmond de Rothschild Foundation in Auftrag gegebenen Umfrage unter arabischen und jüdischen israelischen Studenten haben die meisten jüdischen und arabischen Studenten Angst vor dem jeweils anderen, wobei etwa 20 Prozent von ihnen diese Angst in hohem Masse empfinden. Die Umfrage ergab auch, dass fast die Hälfte der arabischen Studenten darüber nachdenkt, nicht auf den Campus zurückzukehren.

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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