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Kinder durchlitten Qualen in Hamas-Gefangenschaft

in Israel Zwischenzeilen/Leben, Kultur & Sport

Die meisten israelischen Kinder, die von der Hamas als Geiseln genommen wurden und im Zuge eines Waffenstillstands in den vergangenen Wochen zurückgebracht werden konnten, sahen auf den ersten Blick relativ unversehrt aus. Behandelnde Ärzte aus den Krankenhäusern, die sich um die ehemaligen Geiseln kümmern, berichten allerdings von schlimmen Folgen für die Psyche der Kinder.

„Sie sahen aus wie Schatten von Kindern“, beschrieb etwa Dr. Efrat Harlev, Geschäftsführerin des israelischen Schneider Children’s Medical Center diese Woche auf einer Pressekonferenz, „Die Kinder haben in der Gefangenschaft 15 Prozent und mehr ihres Gewichts verloren, viele zeigten Anzeichen von Muskelschwund. Einige brauchten Hilfe, um von einem Stuhl aufzustehen.“

Renana Eitan, Leiterin der psychiatrischen Abteilung des Tel Aviv Sourasky Medical Center-Ichilov erklärte, dass manche Kinder in Gefangenschaft unter Drogen gesetzt wurden. „Sie wollten die Kinder kontrollieren, und manchmal ist es schwierig, kleine Kinder und Jugendliche zu kontrollieren. Und sie wissen, dass sie ruhig sind, wenn sie sie betäuben“ Einige Kinder hätten zusätzlich mehrere Tage im Dunklen oder komplett alleine verbracht sowie psychische und physische Gewalt durch die Geiselnehmer erlebt: „So etwas habe ich in 20 Jahren der Behandlung von Traumaopfern noch nie gesehen. Der physische, sexuelle, mentale und psychologische Missbrauch dieser Geiseln, die zurückkamen, ist einfach schrecklich“, fügte Eitan hinzu, „Wir müssen das Lehrbuch neu schreiben.“

Eitan Yahalomi, 12, mit seiner Mutter im Krankenhaus von Ichilov nachdem er von der Hamas freigelassen wurde. Der Junge wurde alleine entführt und verbrachte viele Tage komplett alleine in Dunkelheit. Hamas-Terroristen zwangen ihn, Videos ihrer Verbrechen vom 7. Oktober zu gucken. (Bild: IDF)

Viele Kinder glaubten nicht, dass sie die Gefangenschaft überleben würden. „Sie glaubten nicht, dass irgendjemand nach ihnen suchen würde und dachten, dass es kein Israel mehr gäbe, zu dem sie zurückkehren könnten, und dass sie alle zusammen in den Tunneln sterben würden“, berichtete Harlev. Viele fühlen sich auch jetzt, wo sie aus der Gefangenschaft befreit sind, nicht sicher.

Auch Prof. Israel Pessach vom medizinischen Zentrum Sheba in Ramat Gan beschreibt ähnliche Beobachtungen. In einem Interview mit Channel 12 sprach er von unglaublichen Qualen, die vor allem die Kinder in Geiselhaft erlitten hätten: „Es ist nicht mein Recht, von den Dingen zu berichten, die wir gehört haben. Aber wenn es soweit ist, und die ehemaligen Geiseln sich entscheiden, darüber öffentlich sprechen, werden wir alle nicht mehr schlafen können.“

In manchen Fällen waren die Kinder mit ihren Müttern in Gefangenschaft, auch einige dieser Mütter berichten jetzt von unglaublichem Horror. So hat Sharon Aloni-Cunio, die mit ihren dreijährigen Zwillingstöchtern 53 Tage gefangen gehalten wurde, ausgesagt, dass eine ihrer Töchter zehn Tage von ihr getrennt wurde – bis heute weiß die Mutter nicht, wo ihr Kleinkind in dieser Zeit war und was sie erlebt hat. Der Vater der Kinder und Aloni-Cunios Ehemann befindet sich weiterhin in den Händen der Terroristen.
Die meisten der erwachsenen ehemaligen Geiseln setzten sich inzwischen engagiert für die Freilassung der verbliebenen Israelis ein, die immer noch in den Händen brutaler Terroristen sind. Mindestens 130 Geiseln werden im Gazastreifen noch immer gefangen gehalten, 18 von ihnen gelten als tot.

Sharon Aloni Cunio, Zwillinge Yuli und Emma, 3, befreit; der Vater David befindet sich noch in Gaza (Bild: Privat)

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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