MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

„Wellen der Hoffnung“: Hilfe für Überlebende durchs Surfen

in Israel Zwischenzeilen/Leben, Kultur & Sport

Die Zahl der traumatisierten Menschen ist nach dem 7. Oktober in Israel riesig. Eine der Organisationen, die sich der Herausforderung stellt, zumindest einem Teil der Überlebenden zu helfen, ist die Organisation „HaGal Sheli“ (zu Deutsch „Meine Welle“). HaGal Sheli hat schon vor dem Massaker der Hamas an Israels Zivilbevölkerung erfolgreich Menschen mit PTSD behandelt. 2013 gegründet nutzt die NRO das Surfen als erzieherisches Instrument, um gefährdeten Jugendlichen neue Perspektiven aufzuzeigen.

Nach den Hamas-Anschlägen vom 7. Oktober ist der dringende Bedarf an Unterstützung für israelische Jugendliche und junge Erwachsene bei der Bewältigung des tiefgehenden Traumas gross. Deshalb hat HaGal Sheli direkt in der ersten Woche nach dem Krieg das Projekt „Wellen der Hoffnung“ als angepasste Version des PTSD-Programms der NRO ins Leben gerufen. „Wir haben noch am 7. Oktober verstanden, welches Ausmass diese Katastrophe hat und sofort Pläne geschmiedet, wie wir helfen können. Ich habe zu meinem Team gesagt, dass wir jetzt für all diese Mädchen und Jungen da sein müssen“, erzählt Yaron Waksman, der Geschäftsführer der NRO.

Inzwischen sind mehr als 400 Kinder in 34 Gruppen eingeteilt worden, sie kommen aus den Orten im Land, die am schlimmsten von den Massakern betroffen waren. Aber auch aus umliegenden Ortschaften wie Ashdod, die seit dem 7. Oktober unter regelmässigem Raketenbeschuss stehen. Die Traumaspezialistin Dr. Tamar Dagan hat das Programm „Werkzeuge von den Wellen“ mitentwickelt, um durch das Surfen Copingmechanismen zu erlernen.

Die NRO HaGalSheli hat ein Projekt für Überlebende des Massakers vom 7. Oktober ins Leben gerufen (Bild: Webseite).

„Die Kinder und Jugendlichen kommen jeden Tag. In dem Chaos, in dem sie gerade leben, schaffen wir für sie einen Punkt der Ruhe und Regelmässigkeit. Sie nutzen das Meer, die Wellen, lernen die Kontrolle, die man beim Surfen braucht, um die Wellen zu erobern, und einfach im Moment zu sein. Wir nutzen Surfen bereits seit Jahren für Soldaten mit PTDS und haben nicht nur viel Erfahrungen, sondern ein bereits etabliertes und bewährtes Programm“, erklärt Waksman. Das Ziel ist, dass die Teilnehmenden auf dem Meer ihre grossen Sorgen ein wenig vergessen können, sich auf das Surfen und die Wellen konzentrieren und so ihr Vertrauen in die Welt zurückgewinnen.

Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Rehabilitationsabteilung des israelischen Verteidigungsministeriums durchgeführt und ist vor allem auf Spenden angewiesen. Der Schweizer Botschafter Urs Bucher besuchte die Organisation kürzlich im Kibbutz Shvayim, in den viele Bewohner des zerstörten Kibbutz Kfar Aza geflüchtet sind. Auch die deutsche Botschaft unterstützt HaGal Sheli seit Jahren.

Der Schweizer Botschafter Urs Bucher besucht die NRO HaGalSheli im Kibbutz Shvayim (von li nach re: Yaron Wachsman, CEO & Founder Ha Gal Sheli, Philippe J. Weil von der GIS, Botschafter Urs Bucher, Ephy Shapiro, von HaGalSheli, Gregor Muischneek vom Schweizer Aussenministerium).

Die Arbeit der NRO zeigt deutlich, dass 88 Prozent der Teilnehmenden durch die Projekte mehr Selbstbewusstsein erlangen. 75 Prozent der Absolventen geben an, dass der Surfkurs die erste Verpflichtung war, die sie eingegangen sind und erfolgreich erfüllt haben. Die Kinder und Jugendlichen, die nun an dem Programm „Wellen der Hoffnung“ teilnehmen, kämpfen mit den schlimmsten Erinnerungen, an das, was sie erlebt haben. Manche haben sich stundenlang auf engstem Raum verstecken müssen, während Hamas-Terroristen um sie herum alles ermordeten, was sich bewegte. Manche haben Familienmitglieder verloren. „Diese Mädchen und Jungen haben Dinge erlebt, die kein Mensch erleben sollte. Wir müssen uns jetzt in diesem kritischen Moment um sie kümmern, damit sie irgendeine Art von Normalität wieder erlangen und das Vertrauen in die Welt der Erwachsenen zurückgewinnen können. Wir helfen ihnen, indem sie jeden Tag rausgehen, in die Wellen, an einen sicheren Ort, der ihnen Platz gibt, die simpelsten Dinge wiederzuentdecken“, beschreibt Waksman die Ziele des Projekts.

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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