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Auch nach Polizeigewalt: Israelis demonstrieren weiter

in Israel Zwischenzeilen/Leben, Kultur & Sport

In der neunten Woche der Proteste und nachdem die Polizei in der letzten Woche in Tel Aviv mit hoher Brutalität auf die Demonstranten losgegangen ist, sind trotzdem am Samstagabend nach Angaben der Veranstalter fast eine halbe Million Israelis gegen die geplanten Justizreformen auf die Strasse gegangen. Neben dem Hauptprotest in Tel Aviv gab es Demonstrationen an etwa 95 weiteren Orten im ganzen Land, darunter auch vor der Residenz des Präsidenten in Jerusalem, zu der Tausende kamen.

Allein in Tel Aviv protestierten etwa 160.000 Israelis. Nach dem Ende der Demonstration durchbrachen einige tausend Menschen die Polizeibarrikaden zur Stadtautobahn Ayalon und begannen dort zu marschieren. Die Polizei setzte berittene Polizisten und Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein, als sie versuchte, sie zu vertreiben. Die Nachrichtenseite Haaretz berichtet, dass dies geschah, als die Demonstranten ohnehin die Autobahn verliessen, und dass dem keine Gewalt vorausgegangen war. Bereits in der vergangenen Woche wurden beim „Tag der Unterbrechung“ in Tel Aviv berittene Polizeitruppen und Blendgranaten gegen friedliche Demonstranten eingesetzt, dabei wurden einige Teilnehmer z.T. schwer verletzt.

Die berittene Polizei ging zum Teil auf Demonstranten los (Bild: KHC).

Die Proteste gegen die geplante Justizreform der Regierung ziehen immer weitere Kreise: So hat eine ganze Eliteeinheit von Reservisten der Luftwaffe erklärt, dass sie nicht mehr zu ihrem Pflichttraining antreten wird. Grosse Mengen an Reservisten anderer Eliteeinheiten kündigten ebenfalls an, dass sie ihren Dienst verweigern werden, wenn die Justizreform genehmigt wird, weil sie dann in „einer Diktatur dienen“ würden. Der israelische Intellektuelle Yuval Noah Harari forderte am Samstag, es sei an der Zeit, die israelischen Schulen zu schliessen und stattdessen über Demokratie zu diskutieren.

Demonstranten in Tel Aviv in der vergangenen Woche (Bild: KHC).

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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